Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

wegschütteln: Er muss Gedult haben; da sie
einen, dem sie nichts Gutes erzeigen, aber auch
nichts roh' abschlagen wollen, mit der kalten
Sentenz abfertigen: Zur Gedult verwiesen --
und dieses immer wiederholen, so oft und so
lange, biss der Leidende durch Erlösung aus
aller Noth keine Gedult mehr nöthig hat.


Wenn ein Herr als gedultig gepriesen wer-
den soll, so muss es keine blosse Tempera-
ments-Eigenschaft, sondern die Tugend eines
verständigen, über sich selbst wachenden, ge-
gen seine Neigungen, Leidenschaften, auch
wohl Heftigkeit und Zorn streitenden und sie
besiegenden Fürsten seyn; sonst ist es das un-
verdiente Lob einer solchen Schlafmütze, wie
K. Friedrich III. *), oder der noch unwichtigere
Ruhm von der Gelassenheit und Sanftmuth Kay-
ser Leopolds I. des grössten Phlegmatikers sei-

*) Grünbeck in dem Leben K. Friedrichs III. "Er ist ge-
gen den Nachreden und Schmachworten, so ihm in das
Angesicht oder sonst heimlich sind zugefügt worden,
also mildsam und sanftmüthig gewesen, dass, ob auch einer
die Kayserlich Majestät verlezt darum er den Hals ver-
fallen wäre, er nichts anders gehandelt, dann gesagt:
Die Zungen wären von Natur gefreyet; man möcht sie
auch frey nutzen und brauchen, sie wären auch mit
keiner Ketten der Gesetz gebunden".

wegschütteln: Er muſs Gedult haben; da sie
einen, dem sie nichts Gutes erzeigen, aber auch
nichts roh’ abschlagen wollen, mit der kalten
Sentenz abfertigen: Zur Gedult verwiesen —
und dieses immer wiederholen, so oft und so
lange, biſs der Leidende durch Erlösung aus
aller Noth keine Gedult mehr nöthig hat.


Wenn ein Herr als gedultig gepriesen wer-
den soll, so muſs es keine blosse Tempera-
ments-Eigenschaft, sondern die Tugend eines
verständigen, über sich selbst wachenden, ge-
gen seine Neigungen, Leidenschaften, auch
wohl Heftigkeit und Zorn streitenden und sie
besiegenden Fürsten seyn; sonst ist es das un-
verdiente Lob einer solchen Schlafmütze, wie
K. Friedrich III. *), oder der noch unwichtigere
Ruhm von der Gelassenheit und Sanftmuth Kay-
ser Leopolds I. des gröſsten Phlegmatikers sei-

*) Grünbeck in dem Leben K. Friedrichs III. „Er ist ge-
gen den Nachreden und Schmachworten, so ihm in das
Angesicht oder sonst heimlich sind zugefügt worden,
also mildsam und sanftmüthig gewesen, daſs, ob auch einer
die Kayserlich Majestät verlezt darum er den Hals ver-
fallen wäre, er nichts anders gehandelt, dann gesagt:
Die Zungen wären von Natur gefreyet; man möcht sie
auch frey nutzen und brauchen, sie wären auch mit
keiner Ketten der Gesetz gebunden„.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0156" n="150"/>
wegschütteln: Er mu&#x017F;s Gedult haben; da sie<lb/>
einen, dem sie nichts Gutes erzeigen, aber auch<lb/>
nichts roh&#x2019; abschlagen wollen, mit der kalten<lb/>
Sentenz abfertigen: Zur Gedult verwiesen &#x2014;<lb/>
und dieses immer wiederholen, so oft und so<lb/>
lange, bi&#x017F;s der Leidende durch Erlösung aus<lb/>
aller Noth keine Gedult mehr nöthig hat.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Wenn ein Herr als gedultig gepriesen wer-<lb/>
den soll, so mu&#x017F;s es keine blosse Tempera-<lb/>
ments-Eigenschaft, sondern die Tugend eines<lb/>
verständigen, über sich selbst wachenden, ge-<lb/>
gen seine Neigungen, Leidenschaften, auch<lb/>
wohl Heftigkeit und Zorn streitenden und sie<lb/>
besiegenden Fürsten seyn; sonst ist es das un-<lb/>
verdiente Lob einer solchen Schlafmütze, wie<lb/>
K. Friedrich III. <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#i">Grünbeck</hi> in dem Leben K. Friedrichs III. &#x201E;Er ist ge-<lb/>
gen den Nachreden und Schmachworten, so ihm in das<lb/>
Angesicht oder sonst heimlich sind zugefügt worden,<lb/>
also mildsam und sanftmüthig gewesen, da&#x017F;s, ob auch einer<lb/>
die Kayserlich Majestät verlezt darum er den Hals ver-<lb/>
fallen wäre, er nichts anders gehandelt, dann gesagt:<lb/>
Die Zungen wären von Natur gefreyet; man möcht <choice><sic>sle</sic><corr>sie</corr></choice><lb/>
auch frey nutzen und brauchen, sie wären auch mit<lb/>
keiner Ketten der Gesetz gebunden&#x201E;.</note>, oder der noch unwichtigere<lb/>
Ruhm von der Gelassenheit und Sanftmuth Kay-<lb/>
ser Leopolds I. des grö&#x017F;sten Phlegmatikers sei-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0156] wegschütteln: Er muſs Gedult haben; da sie einen, dem sie nichts Gutes erzeigen, aber auch nichts roh’ abschlagen wollen, mit der kalten Sentenz abfertigen: Zur Gedult verwiesen — und dieses immer wiederholen, so oft und so lange, biſs der Leidende durch Erlösung aus aller Noth keine Gedult mehr nöthig hat. Wenn ein Herr als gedultig gepriesen wer- den soll, so muſs es keine blosse Tempera- ments-Eigenschaft, sondern die Tugend eines verständigen, über sich selbst wachenden, ge- gen seine Neigungen, Leidenschaften, auch wohl Heftigkeit und Zorn streitenden und sie besiegenden Fürsten seyn; sonst ist es das un- verdiente Lob einer solchen Schlafmütze, wie K. Friedrich III. *), oder der noch unwichtigere Ruhm von der Gelassenheit und Sanftmuth Kay- ser Leopolds I. des gröſsten Phlegmatikers sei- *) Grünbeck in dem Leben K. Friedrichs III. „Er ist ge- gen den Nachreden und Schmachworten, so ihm in das Angesicht oder sonst heimlich sind zugefügt worden, also mildsam und sanftmüthig gewesen, daſs, ob auch einer die Kayserlich Majestät verlezt darum er den Hals ver- fallen wäre, er nichts anders gehandelt, dann gesagt: Die Zungen wären von Natur gefreyet; man möcht sie auch frey nutzen und brauchen, sie wären auch mit keiner Ketten der Gesetz gebunden„.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/156
Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/156>, abgerufen am 25.11.2024.