Abwechslungen und Launen hat *), leisten können und wollen, auch wie weise sie nach ihrer Lage, Bedürfnissen und Verhältnissen mit andern seyn dürfen. Denn, wie so Vieles an- dere in der Welt, so ist auch die Weisheit nur relativ; sie hat ihre Grade und Abstufungen von Salomo dem Ersten und Zweyten an, biss zu dem nur mit dem ganz schlichten und ge- meinen Menschen-Verstand grossen oder klei- nen Herrscher. Ja Salomo +) hat ein Wort hinterlassen, das man manchem seiner König- lichen Nachkommen ins Herz und über sei- ne Cabinetsthüre schreiben möchte: Sey nicht allzuweise, dass du nicht verderbest. Mit- telgut, möchte man wohl sagen, ist also auch hier das Beste.
Ich habe selbst aus dem Munde eines alten erfahrungsreichen Ministers, der seine Verwun-
toujours a la verite et qui croit aneantir les choses en n'en parlant pas.
*) Die Vorfahren unserer Fürsten sündigten durch die gros- se Gleichgültigkeit gegen das Glück ihres Volks; die unsrigen durch die Voreiligkeit mit der sie pflanzen wollen, statt den Boden zu bereiten. Von Ungern- Sternberg Blicke in die moralische Welt. S. 188.
+)Im Prediger 7, 17.
(II. Band.) K
Abwechslungen und Launen hat *), leisten können und wollen, auch wie weise sie nach ihrer Lage, Bedürfnissen und Verhältnissen mit andern seyn dürfen. Denn, wie so Vieles an- dere in der Welt, so ist auch die Weisheit nur relativ; sie hat ihre Grade und Abstufungen von Salomo dem Ersten und Zweyten an, biſs zu dem nur mit dem ganz schlichten und ge- meinen Menschen-Verstand grossen oder klei- nen Herrscher. Ja Salomo †) hat ein Wort hinterlassen, das man manchem seiner König- lichen Nachkommen ins Herz und über sei- ne Cabinetsthüre schreiben möchte: Sey nicht allzuweise, daſs du nicht verderbest. Mit- telgut, möchte man wohl sagen, ist also auch hier das Beste.
Ich habe selbst aus dem Munde eines alten erfahrungsreichen Ministers, der seine Verwun-
toujours à la verité et qui croit anéantir les choses en n’en parlant pas.
*) Die Vorfahren unserer Fürſten sündigten durch die gros- se Gleichgültigkeit gegen das Glück ihres Volks; die unsrigen durch die Voreiligkeit mit der sie pflanzen wollen, statt den Boden zu bereiten. Von Ungern- Sternberg Blicke in die moralische Welt. S. 188.
†)Im Prediger 7, 17.
(II. Band.) K
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Abwechslungen und Launen hat *), leisten
können und wollen, auch wie weise sie nach
ihrer Lage, Bedürfnissen und Verhältnissen mit
andern seyn dürfen. Denn, wie so Vieles an-
dere in der Welt, so ist auch die Weisheit nur
relativ; sie hat ihre Grade und Abstufungen
von Salomo dem Ersten und Zweyten an, biſs
zu dem nur mit dem ganz schlichten und ge-
meinen Menschen-Verstand grossen oder klei-
nen Herrscher. Ja Salomo †) hat ein Wort
hinterlassen, das man manchem seiner König-
lichen Nachkommen ins Herz und über sei-
ne Cabinetsthüre schreiben möchte: Sey nicht
allzuweise, daſs du nicht verderbest. Mit-
telgut, möchte man wohl sagen, ist also auch
hier das Beste.
Ich habe selbst aus dem Munde eines alten
erfahrungsreichen Ministers, der seine Verwun-
*)
*) Die Vorfahren unserer Fürſten sündigten durch die gros-
se Gleichgültigkeit gegen das Glück ihres Volks; die
unsrigen durch die Voreiligkeit mit der sie pflanzen
wollen, statt den Boden zu bereiten. Von Ungern-
Sternberg Blicke in die moralische Welt. S. 188.
†) Im Prediger 7, 17.
*) toujours à la verité et qui croit anéantir
les choses en n’en parlant pas.
(II. Band.) K
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/151>, abgerufen am 16.02.2025.
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