Zeiten der Reformation dauerte, die wenigen Fälle ausgenommen, da man noch im vorigen Jahr- hundert einen Ernst den Frommen von Sachsen- Gotha, einen Bernhard den Grossen von Sach- sen-Weimar, und etwa noch einen und den an- dern findet, dem seine Zeitgenossen und die Nachwelt diese Ehrennahmen zugestanden haben.
Soll man es bedauren, dass diese Gewohnheit abgekommen ist? Zur Erlernung der Geschichte wäre sie allerdings behülflich gewesen; aber auch nur der älteren, über drey Menschen-Al- ter reichenden hinaus näher zu unseren Zeiten gilt nur: Loben oder Schweigen, oder doch sich weislich und möglichst verbergen wenn man tadeln will. Denn sonst würden zwar von unsern Augustissimis, Potentissimis, Serenissi- mis und Celsissimis nicht minder wahre Beynah- men erdacht werden können, von denen aber der Erfinder, wenn er anderst nicht ein unver- schämter Lobhudler wäre, sich schwerlich um das Macherlohn melden würde. Denn gegen Eine mit Wahrheit so genannte Majeste Pacifi- que oder Sagesse Serenissime, welchen ganz andern und höchstcharacteristischen Cathegorien würde man nur von unsern und unserer Väter
(II. Band.) H
Zeiten der Reformation dauerte, die wenigen Fälle ausgenommen, da man noch im vorigen Jahr- hundert einen Ernst den Frommen von Sachsen- Gotha, einen Bernhard den Groſsen von Sach- sen-Weimar, und etwa noch einen und den an- dern findet, dem seine Zeitgenossen und die Nachwelt diese Ehrennahmen zugestanden haben.
Soll man es bedauren, daſs diese Gewohnheit abgekommen ist? Zur Erlernung der Geschichte wäre sie allerdings behülflich gewesen; aber auch nur der älteren, über drey Menschen-Al- ter reichenden hinaus näher zu unseren Zeiten gilt nur: Loben oder Schweigen, oder doch sich weislich und möglichst verbergen wenn man tadeln will. Denn sonst würden zwar von unsern Augustissimis, Potentissimis, Serenissi- mis und Celsissimis nicht minder wahre Beynah- men erdacht werden können, von denen aber der Erfinder, wenn er anderst nicht ein unver- schämter Lobhudler wäre, sich schwerlich um das Macherlohn melden würde. Denn gegen Eine mit Wahrheit so genannte Majesté Pacifi- que oder Sagesse Serenissime, welchen ganz andern und höchstcharacteristischen Cathegorien würde man nur von unsern und unserer Väter
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Zeiten der Reformation dauerte, die wenigen Fälle
ausgenommen, da man noch im vorigen Jahr-
hundert einen Ernst den Frommen von Sachsen-
Gotha, einen Bernhard den Groſsen von Sach-
sen-Weimar, und etwa noch einen und den an-
dern findet, dem seine Zeitgenossen und die
Nachwelt diese Ehrennahmen zugestanden haben.
Soll man es bedauren, daſs diese Gewohnheit
abgekommen ist? Zur Erlernung der Geschichte
wäre sie allerdings behülflich gewesen; aber
auch nur der älteren, über drey Menschen-Al-
ter reichenden hinaus näher zu unseren Zeiten
gilt nur: Loben oder Schweigen, oder doch
sich weislich und möglichst verbergen wenn
man tadeln will. Denn sonst würden zwar von
unsern Augustissimis, Potentissimis, Serenissi-
mis und Celsissimis nicht minder wahre Beynah-
men erdacht werden können, von denen aber
der Erfinder, wenn er anderst nicht ein unver-
schämter Lobhudler wäre, sich schwerlich um
das Macherlohn melden würde. Denn gegen
Eine mit Wahrheit so genannte Majesté Pacifi-
que oder Sagesse Serenissime, welchen ganz
andern und höchstcharacteristischen Cathegorien
würde man nur von unsern und unserer Väter
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/119>, abgerufen am 22.11.2024.
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