Die Erziehung, wie sie nun einmal, mit einer mildern oder härteren Schattierung, in Europa eingeführt ist, trägt zur Art und Weise des Gehorsams im Ganzen und allen seinen Theilen überaus viel bey. Anders gehorcht solchem nach ein Russe, anders ein Engelländer, ein Franzose und ein Deutscher; alle wissen aber von Kindheit an nichts anders, als dass man seinen Eltern und Vorgesezten, seinem Herrn, seinem Lehrer und Meister, gehorchen müsse. Der eine gehorcht blindlings und scla- visch, und so wird er des gedankenlosen Ge- horsams allmälig gewohnt oder durch Prügel dazu gezwungen, und der geringste Hang zu Widerspruch und Widerstand sogleich in ihm erstickt; der andere gehorcht auch, er will aber mehr dazu beredt und gebeten, als geheis- sen oder gar bedroht seyn. Jeder gehorcht nach dem ihm eingeprägten und angewöhnten beson- dern Character seiner Nation: Der eine beraison- nirt alles, ehe er es thut oder in dem er es thut; murrt, schmählt, flucht über das befoh- lene und thut's doch; der andere nimmt hun- dert ihm lästige und unangenehme Dinge vor bekannt an, ohne dass ihm was arges darüber einfällt, weil ers von Vater und Voreltern her
Die Erziehung, wie sie nun einmal, mit einer mildern oder härteren Schattierung, in Europa eingeführt ist, trägt zur Art und Weise des Gehorsams im Ganzen und allen seinen Theilen überaus viel bey. Anders gehorcht solchem nach ein Russe, anders ein Engelländer, ein Franzose und ein Deutscher; alle wissen aber von Kindheit an nichts anders, als daſs man seinen Eltern und Vorgesezten, seinem Herrn, seinem Lehrer und Meister, gehorchen müsse. Der eine gehorcht blindlings und scla- visch, und so wird er des gedankenlosen Ge- horsams allmälig gewohnt oder durch Prügel dazu gezwungen, und der geringste Hang zu Widerspruch und Widerstand sogleich in ihm erstickt; der andere gehorcht auch, er will aber mehr dazu beredt und gebeten, als geheis- sen oder gar bedroht seyn. Jeder gehorcht nach dem ihm eingeprägten und angewöhnten beson- dern Character seiner Nation: Der eine beraison- nirt alles, ehe er es thut oder in dem er es thut; murrt, schmählt, flucht über das befoh- lene und thut’s doch; der andere nimmt hun- dert ihm lästige und unangenehme Dinge vor bekannt an, ohne daſs ihm was arges darüber einfällt, weil ers von Vater und Voreltern her
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Die Erziehung, wie sie nun einmal, mit
einer mildern oder härteren Schattierung, in
Europa eingeführt ist, trägt zur Art und Weise
des Gehorsams im Ganzen und allen seinen
Theilen überaus viel bey. Anders gehorcht
solchem nach ein Russe, anders ein Engelländer,
ein Franzose und ein Deutscher; alle wissen
aber von Kindheit an nichts anders, als daſs
man seinen Eltern und Vorgesezten, seinem
Herrn, seinem Lehrer und Meister, gehorchen
müsse. Der eine gehorcht blindlings und scla-
visch, und so wird er des gedankenlosen Ge-
horsams allmälig gewohnt oder durch Prügel
dazu gezwungen, und der geringste Hang zu
Widerspruch und Widerstand sogleich in ihm
erstickt; der andere gehorcht auch, er will
aber mehr dazu beredt und gebeten, als geheis-
sen oder gar bedroht seyn. Jeder gehorcht nach
dem ihm eingeprägten und angewöhnten beson-
dern Character seiner Nation: Der eine beraison-
nirt alles, ehe er es thut oder in dem er es
thut; murrt, schmählt, flucht über das befoh-
lene und thut’s doch; der andere nimmt hun-
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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/89>, abgerufen am 25.11.2024.
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