so lasse er sichs nie gereuen; er gewinnt alle- mal an und in sich selbst so viel, dass er auf sein ganzes Leben gesichert ist, kein Stockfisch zu bleiben, wenn er gleich eben so wenig je- mahlen hoffen darf, Ober- oder Unter-Kammer- herr oder wohl gar Minister des kleinsten Potenta- ten zu werden. In der Regel aber muss ich aus inniger Ueberzeugung das Bekenntniss nochmals wiederholen, was ich über diesen Gegenstand bereits vor einigen Jahren offentlich *) abgelegt habe: "Wer Königen und Fürsten dienen will und muss, und dabey seine Gemüths-Ruhe lieb hat, der enthalte sich, die Alten und viele prag- matische Geschichtschreiber zu lesen; was man auf der einen Seite durch Erweiterung von Kenntnissen und an Klugheits-Regeln gewinnt, das verliert man dagegen auf der andern wie- der durch traurige Vergleichungen und Nach- denken, und verwickelt sich in Scrupel und Zweifel, die so hart drücken als bey einem Münch, dem über sein Kloster die Augen auf- gehen, ohne aus demselben heraus zn können. Ich rede aus eigener schmerzlicher Erfahrung".
*) Im patriotischen Archiv II. Band, S. 547.
so lasse er sichs nie gereuen; er gewinnt alle- mal an und in sich selbst so viel, daſs er auf sein ganzes Leben gesichert ist, kein Stockfisch zu bleiben, wenn er gleich eben so wenig je- mahlen hoffen darf, Ober- oder Unter-Kammer- herr oder wohl gar Minister des kleinsten Potenta- ten zu werden. In der Regel aber muſs ich aus inniger Ueberzeugung das Bekenntniſs nochmals wiederholen, was ich über diesen Gegenstand bereits vor einigen Jahren offentlich *) abgelegt habe: „Wer Königen und Fürsten dienen will und muſs, und dabey seine Gemüths-Ruhe lieb hat, der enthalte sich, die Alten und viele prag- matische Geschichtschreiber zu lesen; was man auf der einen Seite durch Erweiterung von Kenntnissen und an Klugheits-Regeln gewinnt, das verliert man dagegen auf der andern wie- der durch traurige Vergleichungen und Nach- denken, und verwickelt sich in Scrupel und Zweifel, die so hart drücken als bey einem Münch, dem über sein Kloster die Augen auf- gehen, ohne aus demselben heraus zn können. Ich rede aus eigener schmerzlicher Erfahrung„.
*) Im patriotischen Archiv II. Band, S. 547.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0088"n="82"/>
so lasse er sichs nie gereuen; er gewinnt alle-<lb/>
mal an und in sich selbst so viel, daſs er auf<lb/>
sein ganzes Leben gesichert ist, kein Stockfisch<lb/>
zu bleiben, wenn er gleich eben so wenig je-<lb/>
mahlen hoffen darf, Ober- oder Unter-Kammer-<lb/>
herr oder wohl gar Minister des kleinsten Potenta-<lb/>
ten zu werden. In der Regel aber muſs ich aus<lb/>
inniger Ueberzeugung das Bekenntniſs nochmals<lb/>
wiederholen, was ich über diesen Gegenstand<lb/>
bereits vor einigen Jahren offentlich <noteplace="foot"n="*)">Im <hirendition="#i">patriotischen Archiv</hi> II. Band, S. 547.</note> abgelegt<lb/>
habe: „Wer Königen und Fürsten dienen will<lb/>
und muſs, und dabey seine Gemüths-Ruhe lieb<lb/>
hat, der enthalte sich, die Alten und viele prag-<lb/>
matische Geschichtschreiber zu lesen; was man<lb/>
auf der einen Seite durch Erweiterung von<lb/>
Kenntnissen und an Klugheits-Regeln gewinnt,<lb/>
das verliert man dagegen auf der andern wie-<lb/>
der durch traurige Vergleichungen und Nach-<lb/>
denken, und verwickelt sich in Scrupel und<lb/>
Zweifel, die so hart drücken als bey einem<lb/>
Münch, dem über sein Kloster die Augen auf-<lb/>
gehen, ohne aus demselben heraus zn können.<lb/>
Ich rede aus eigener schmerzlicher Erfahrung„.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[82/0088]
so lasse er sichs nie gereuen; er gewinnt alle-
mal an und in sich selbst so viel, daſs er auf
sein ganzes Leben gesichert ist, kein Stockfisch
zu bleiben, wenn er gleich eben so wenig je-
mahlen hoffen darf, Ober- oder Unter-Kammer-
herr oder wohl gar Minister des kleinsten Potenta-
ten zu werden. In der Regel aber muſs ich aus
inniger Ueberzeugung das Bekenntniſs nochmals
wiederholen, was ich über diesen Gegenstand
bereits vor einigen Jahren offentlich *) abgelegt
habe: „Wer Königen und Fürsten dienen will
und muſs, und dabey seine Gemüths-Ruhe lieb
hat, der enthalte sich, die Alten und viele prag-
matische Geschichtschreiber zu lesen; was man
auf der einen Seite durch Erweiterung von
Kenntnissen und an Klugheits-Regeln gewinnt,
das verliert man dagegen auf der andern wie-
der durch traurige Vergleichungen und Nach-
denken, und verwickelt sich in Scrupel und
Zweifel, die so hart drücken als bey einem
Münch, dem über sein Kloster die Augen auf-
gehen, ohne aus demselben heraus zn können.
Ich rede aus eigener schmerzlicher Erfahrung„.
*) Im patriotischen Archiv II. Band, S. 547.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/88>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.