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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796.

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Der gute, sanfte, liebevolle, in lauter men-
schenfreundlichen Träumen eingewiegte, die
Fürsten, zumahlen Deutsche Fürsten, nur aus
Kupferstichen kennende Republicaner, Iselin,
schrieb im Jahr 1776. an seinen Freund Schlos-
ser
*): "Tyrannen sind in unsern Tagen weit
seltener als wir es uns in den Augenblicken
vorstellen, da uns Milzsucht beherrschet.
Schwache unentschiedene Seelen, die gut seyn
würden, wenn sie von guten Menschen umge-
ben wären, und die Werke der Schlimmen thun,
weil sie sich von eigennützigen und herrsch-
süchtigen missleiten lassen, das sind die mei-
sten, über die wir klagen; und gute, weise,
wohlwollende giebt es weit mehr, als in den
vorigen Zeiten. Wenn keine Menschen wären,
die gern Sclaven sind, so würden keine Ty-
rannen seyn. Wenn wir also Menschen,

*) In den Ephemeriden der Menschheit. 1776. 3. St. S. 22.

Der gute, sanfte, liebevolle, in lauter men-
schenfreundlichen Träumen eingewiegte, die
Fürsten, zumahlen Deutsche Fürsten, nur aus
Kupferstichen kennende Republicaner, Iselin,
schrieb im Jahr 1776. an seinen Freund Schlos-
ser
*): „Tyrannen sind in unsern Tagen weit
seltener als wir es uns in den Augenblicken
vorstellen, da uns Milzsucht beherrschet.
Schwache unentschiedene Seelen, die gut seyn
würden, wenn sie von guten Menschen umge-
ben wären, und die Werke der Schlimmen thun,
weil sie sich von eigennützigen und herrsch-
süchtigen miſsleiten lassen, das sind die mei-
sten, über die wir klagen; und gute, weise,
wohlwollende giebt es weit mehr, als in den
vorigen Zeiten. Wenn keine Menschen wären,
die gern Sclaven sind, so würden keine Ty-
rannen seyn. Wenn wir also Menschen,

*) In den Ephemeriden der Menschheit. 1776. 3. St. S. 22.
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[[185]/0191] Der gute, sanfte, liebevolle, in lauter men- schenfreundlichen Träumen eingewiegte, die Fürsten, zumahlen Deutsche Fürsten, nur aus Kupferstichen kennende Republicaner, Iselin, schrieb im Jahr 1776. an seinen Freund Schlos- ser *): „Tyrannen sind in unsern Tagen weit seltener als wir es uns in den Augenblicken vorstellen, da uns Milzsucht beherrschet. Schwache unentschiedene Seelen, die gut seyn würden, wenn sie von guten Menschen umge- ben wären, und die Werke der Schlimmen thun, weil sie sich von eigennützigen und herrsch- süchtigen miſsleiten lassen, das sind die mei- sten, über die wir klagen; und gute, weise, wohlwollende giebt es weit mehr, als in den vorigen Zeiten. Wenn keine Menschen wären, die gern Sclaven sind, so würden keine Ty- rannen seyn. Wenn wir also Menschen, *) In den Ephemeriden der Menschheit. 1776. 3. St. S. 22.

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 1. Zürich, 1796, S. [185]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische01_1796/191>, abgerufen am 25.11.2024.