Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

daß die Erde nicht der Mittelpunct des Weltalls, sondern nur ein Tropfen im Sternenmeere sei. Die Keppler'schen Weltgesetze raubten uns Himmel und Hölle, und Sonne und Mond waren nicht mehr zwei große Lichter, welche Engel in der Hand hielten, um in die Grippe des menschgewordenen Gottes herunterzuleuchten.

Soweit Keppler die realistische Seite der Natur auf mathematische Gesetze begründet hat, ist er von seinen Nachfolgern begriffen und ergänzt worden, wo aber sein Genius in die dunkle, unermessene Ferne und in das Auge Gottes blickt, da steht er noch einsam. Freilich deutet er hier mehr an, als er auszusprechen vermag. Wenn aber in der Wissenschaft die rechte Zeit gekommen ist, wird auch der Verstand mit den feinen Werkzeugen der Hegel'schen Logik aus dem Chaos der Träume und Anschauungen eines Novalis die neue Welt an das Tageslicht emporheben. Man wird begreifen, daß die Natur die divina comoedia des Weltgeistes ist, welche freilich auch in ihrer äußeren Form sich nach physischen und mathematischen Gesetzen berechnen läßt. Vor diesen Ahnungen und Anschauungen zerbrach das Mittelalter in Trümmer. Wir dürfen uns nicht scheuen, in das Chaos, aus welchem sich die neue Zeit herausbildet, muthig hinabzusteigen.

Die Hellenen bändigten die chaotischen Triebe der Natur durch den Gedanken an die maßgebende Gottheit,

daß die Erde nicht der Mittelpunct des Weltalls, sondern nur ein Tropfen im Sternenmeere sei. Die Keppler’schen Weltgesetze raubten uns Himmel und Hölle, und Sonne und Mond waren nicht mehr zwei große Lichter, welche Engel in der Hand hielten, um in die Grippe des menschgewordenen Gottes herunterzuleuchten.

Soweit Keppler die realistische Seite der Natur auf mathematische Gesetze begründet hat, ist er von seinen Nachfolgern begriffen und ergänzt worden, wo aber sein Genius in die dunkle, unermessene Ferne und in das Auge Gottes blickt, da steht er noch einsam. Freilich deutet er hier mehr an, als er auszusprechen vermag. Wenn aber in der Wissenschaft die rechte Zeit gekommen ist, wird auch der Verstand mit den feinen Werkzeugen der Hegel’schen Logik aus dem Chaos der Träume und Anschauungen eines Novalis die neue Welt an das Tageslicht emporheben. Man wird begreifen, daß die Natur die divina comoedia des Weltgeistes ist, welche freilich auch in ihrer äußeren Form sich nach physischen und mathematischen Gesetzen berechnen läßt. Vor diesen Ahnungen und Anschauungen zerbrach das Mittelalter in Trümmer. Wir dürfen uns nicht scheuen, in das Chaos, aus welchem sich die neue Zeit herausbildet, muthig hinabzusteigen.

Die Hellenen bändigten die chaotischen Triebe der Natur durch den Gedanken an die maßgebende Gottheit,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0086" n="76"/>
daß die Erde nicht der Mittelpunct des Weltalls, sondern nur ein Tropfen im Sternenmeere sei. Die Keppler&#x2019;schen Weltgesetze raubten uns Himmel und Hölle, und Sonne und Mond waren nicht mehr zwei große Lichter, welche Engel in der Hand hielten, um in die Grippe des menschgewordenen Gottes herunterzuleuchten.</p>
        <p>Soweit Keppler die realistische Seite der Natur auf mathematische Gesetze begründet hat, ist er von seinen Nachfolgern begriffen und ergänzt worden, wo aber sein Genius in die dunkle, unermessene Ferne und in das Auge Gottes blickt, da steht er noch einsam. Freilich deutet er hier mehr an, als er auszusprechen vermag. Wenn aber in der Wissenschaft die rechte Zeit gekommen ist, wird auch der Verstand mit den feinen Werkzeugen der Hegel&#x2019;schen Logik aus dem Chaos der Träume und Anschauungen eines Novalis die neue Welt an das Tageslicht emporheben. Man wird begreifen, daß die Natur die <hi rendition="#aq">divina comoedia</hi> des Weltgeistes ist, welche freilich auch in ihrer äußeren Form sich nach physischen und mathematischen Gesetzen berechnen läßt. Vor diesen Ahnungen und Anschauungen zerbrach das Mittelalter in Trümmer. Wir dürfen uns nicht scheuen, in das Chaos, aus welchem sich die neue Zeit herausbildet, muthig hinabzusteigen.</p>
        <p>Die Hellenen bändigten die chaotischen Triebe der Natur durch den Gedanken an die maßgebende Gottheit,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0086] daß die Erde nicht der Mittelpunct des Weltalls, sondern nur ein Tropfen im Sternenmeere sei. Die Keppler’schen Weltgesetze raubten uns Himmel und Hölle, und Sonne und Mond waren nicht mehr zwei große Lichter, welche Engel in der Hand hielten, um in die Grippe des menschgewordenen Gottes herunterzuleuchten. Soweit Keppler die realistische Seite der Natur auf mathematische Gesetze begründet hat, ist er von seinen Nachfolgern begriffen und ergänzt worden, wo aber sein Genius in die dunkle, unermessene Ferne und in das Auge Gottes blickt, da steht er noch einsam. Freilich deutet er hier mehr an, als er auszusprechen vermag. Wenn aber in der Wissenschaft die rechte Zeit gekommen ist, wird auch der Verstand mit den feinen Werkzeugen der Hegel’schen Logik aus dem Chaos der Träume und Anschauungen eines Novalis die neue Welt an das Tageslicht emporheben. Man wird begreifen, daß die Natur die divina comoedia des Weltgeistes ist, welche freilich auch in ihrer äußeren Form sich nach physischen und mathematischen Gesetzen berechnen läßt. Vor diesen Ahnungen und Anschauungen zerbrach das Mittelalter in Trümmer. Wir dürfen uns nicht scheuen, in das Chaos, aus welchem sich die neue Zeit herausbildet, muthig hinabzusteigen. Die Hellenen bändigten die chaotischen Triebe der Natur durch den Gedanken an die maßgebende Gottheit,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-03-04T10:41:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-04T10:41:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-04T10:41:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844/86
Zitationshilfe: Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844/86>, abgerufen am 24.11.2024.