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Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844.

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die äußere Galerie
und dort in das Raphaelzimmer zurück, werfen noch einen Blick auf die Sixtinische Madonna, gehen dann durch das Zimmer der deutschen Schule, wo uns Holbein's Maria mit dem Kinde begeistert hat, und treten, von Neuem gestärkt, in den
Saal der Niederländer
zu
Rubens und seinen Schülern.

Wenn in der italienischen Kunst der strenge, altchristliche Geist noch dann und wann wie im schmerzlichen Krampfe emporzuckte, so war es doch nur im Processe der Auflösung. Wir standen bei der Krippe in der heiligen Nacht des Allegri und sahen schon dort die Feier eines neuen, weltbezwingenden Princips, - die Verherrlichung der Natur in Mutter und Kind, indem hinter dem Schleier des Marienmythus die wiedergeborene Naturseele uns anblickte. Mit ihr war die Naturwissenschaft, die Naturpoesie und die Landschaftsmalerei erwacht. Wir finden hier die Keime der neuen, durch das Christenthum verklärten Naturreligion. Schon hatte der große Astronom Copernikus die Sturmleiter gegen den mythischen Himmel angelegt, auf welcher Keppler, der größte deutsche Denker, emporkletterte und den transcendentalen Himmel zerschmetterte mit dem Beweise,

die äußere Galerie
und dort in das Raphaelzimmer zurück, werfen noch einen Blick auf die Sixtinische Madonna, gehen dann durch das Zimmer der deutschen Schule, wo uns Holbein’s Maria mit dem Kinde begeistert hat, und treten, von Neuem gestärkt, in den
Saal der Niederländer
zu
Rubens und seinen Schülern.

Wenn in der italienischen Kunst der strenge, altchristliche Geist noch dann und wann wie im schmerzlichen Krampfe emporzuckte, so war es doch nur im Processe der Auflösung. Wir standen bei der Krippe in der heiligen Nacht des Allegri und sahen schon dort die Feier eines neuen, weltbezwingenden Princips, – die Verherrlichung der Natur in Mutter und Kind, indem hinter dem Schleier des Marienmythus die wiedergeborene Naturseele uns anblickte. Mit ihr war die Naturwissenschaft, die Naturpoesie und die Landschaftsmalerei erwacht. Wir finden hier die Keime der neuen, durch das Christenthum verklärten Naturreligion. Schon hatte der große Astronom Copernikus die Sturmleiter gegen den mythischen Himmel angelegt, auf welcher Keppler, der größte deutsche Denker, emporkletterte und den transcendentalen Himmel zerschmetterte mit dem Beweise,

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[75/0085] die äußere Galerie und dort in das Raphaelzimmer zurück, werfen noch einen Blick auf die Sixtinische Madonna, gehen dann durch das Zimmer der deutschen Schule, wo uns Holbein’s Maria mit dem Kinde begeistert hat, und treten, von Neuem gestärkt, in den Saal der Niederländer zu Rubens und seinen Schülern. Wenn in der italienischen Kunst der strenge, altchristliche Geist noch dann und wann wie im schmerzlichen Krampfe emporzuckte, so war es doch nur im Processe der Auflösung. Wir standen bei der Krippe in der heiligen Nacht des Allegri und sahen schon dort die Feier eines neuen, weltbezwingenden Princips, – die Verherrlichung der Natur in Mutter und Kind, indem hinter dem Schleier des Marienmythus die wiedergeborene Naturseele uns anblickte. Mit ihr war die Naturwissenschaft, die Naturpoesie und die Landschaftsmalerei erwacht. Wir finden hier die Keime der neuen, durch das Christenthum verklärten Naturreligion. Schon hatte der große Astronom Copernikus die Sturmleiter gegen den mythischen Himmel angelegt, auf welcher Keppler, der größte deutsche Denker, emporkletterte und den transcendentalen Himmel zerschmetterte mit dem Beweise,

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Zitationshilfe: Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844/85>, abgerufen am 28.04.2024.