Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

die büßende Magdalena
zur Anschauung. Sie sitzt hier mit der Geisel in der Hand, von Seelenleiden und Geiselhieben zum Tode ermattet, halb entkleidet; zu ihren Füßen liegt der zerbrochene Spiegel und der Schmuck der Freude. Ihr Fleisch hat die Mürbe, welche bei den Italienern so beliebt ist. Psychologische Aerzte und Novalis mögen uns belehren, wie in der Fäulniß geistiger und leiblicher Zustände die Pein der einzige Stachel der Wollust bleibt. Wir haben nicht Zeit, in dieses Labyrinth und in die Gewölbe des Moders hinabzusteigen, wo Nationen bei lebendigem Leibe den Tod schmecken.



Wenn eine Zeit überständiger Bildung nicht einmal mehr die Kraft hat, den Schmerz zu empfinden, dann versinkt sie in sentimentales Hinträumen, welches sich coquettirend elegant und schauspielerisch vorträgt. Diese Seite des italienischen Lebens hat sich durch Carlo Dolci, welcher oben im Raphaelzimmer besprochen worden ist, zur Erscheinung gebracht.



Die Kunst wird in solchen Zeiten ein Mittel, den Müßiggang zu erheitern. Sie verläuft sich in den Dilettantismus der Damenwelt.

die büßende Magdalena
zur Anschauung. Sie sitzt hier mit der Geisel in der Hand, von Seelenleiden und Geiselhieben zum Tode ermattet, halb entkleidet; zu ihren Füßen liegt der zerbrochene Spiegel und der Schmuck der Freude. Ihr Fleisch hat die Mürbe, welche bei den Italienern so beliebt ist. Psychologische Aerzte und Novalis mögen uns belehren, wie in der Fäulniß geistiger und leiblicher Zustände die Pein der einzige Stachel der Wollust bleibt. Wir haben nicht Zeit, in dieses Labyrinth und in die Gewölbe des Moders hinabzusteigen, wo Nationen bei lebendigem Leibe den Tod schmecken.



Wenn eine Zeit überständiger Bildung nicht einmal mehr die Kraft hat, den Schmerz zu empfinden, dann versinkt sie in sentimentales Hinträumen, welches sich coquettirend elegant und schauspielerisch vorträgt. Diese Seite des italienischen Lebens hat sich durch Carlo Dolci, welcher oben im Raphaelzimmer besprochen worden ist, zur Erscheinung gebracht.



Die Kunst wird in solchen Zeiten ein Mittel, den Müßiggang zu erheitern. Sie verläuft sich in den Dilettantismus der Damenwelt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0080" n="70"/><hi rendition="#c"><hi rendition="#g">die büßende Magdalena</hi></hi><lb/>
zur Anschauung. Sie sitzt hier mit der Geisel in der Hand, von Seelenleiden und Geiselhieben zum Tode ermattet, halb entkleidet; zu ihren Füßen liegt der zerbrochene Spiegel und der Schmuck der Freude. Ihr Fleisch hat die Mürbe, welche bei den Italienern so beliebt ist. Psychologische Aerzte und Novalis mögen uns belehren, wie in der Fäulniß geistiger und leiblicher Zustände die Pein der einzige Stachel der Wollust bleibt. Wir haben nicht Zeit, in dieses Labyrinth und in die Gewölbe des Moders hinabzusteigen, wo Nationen bei lebendigem Leibe den Tod schmecken.</p>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Wenn eine Zeit überständiger Bildung nicht einmal mehr die Kraft hat, den Schmerz zu empfinden, dann versinkt sie in sentimentales Hinträumen, welches sich coquettirend elegant und schauspielerisch vorträgt. Diese Seite des italienischen Lebens hat sich durch <hi rendition="#g">Carlo Dolci,</hi> welcher oben im Raphaelzimmer besprochen worden ist, zur Erscheinung gebracht.</p>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>Die Kunst wird in solchen Zeiten ein Mittel, den Müßiggang zu erheitern. Sie verläuft sich in den Dilettantismus der Damenwelt.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0080] die büßende Magdalena zur Anschauung. Sie sitzt hier mit der Geisel in der Hand, von Seelenleiden und Geiselhieben zum Tode ermattet, halb entkleidet; zu ihren Füßen liegt der zerbrochene Spiegel und der Schmuck der Freude. Ihr Fleisch hat die Mürbe, welche bei den Italienern so beliebt ist. Psychologische Aerzte und Novalis mögen uns belehren, wie in der Fäulniß geistiger und leiblicher Zustände die Pein der einzige Stachel der Wollust bleibt. Wir haben nicht Zeit, in dieses Labyrinth und in die Gewölbe des Moders hinabzusteigen, wo Nationen bei lebendigem Leibe den Tod schmecken. Wenn eine Zeit überständiger Bildung nicht einmal mehr die Kraft hat, den Schmerz zu empfinden, dann versinkt sie in sentimentales Hinträumen, welches sich coquettirend elegant und schauspielerisch vorträgt. Diese Seite des italienischen Lebens hat sich durch Carlo Dolci, welcher oben im Raphaelzimmer besprochen worden ist, zur Erscheinung gebracht. Die Kunst wird in solchen Zeiten ein Mittel, den Müßiggang zu erheitern. Sie verläuft sich in den Dilettantismus der Damenwelt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-03-04T10:41:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-04T10:41:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-04T10:41:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844/80
Zitationshilfe: Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844/80>, abgerufen am 28.04.2024.