Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

eine Virgil'sche Ecloge, vor welcher die christliche Mythe in der Ferne entflieht, indem sie dem alten Pan Raum macht.

Später Nachmittag.

Wir stehen an der Küste von Sicilien und blicken hinaus in das unendliche Meer, dessen Ferne noch geheimnißvoller wird durch eine dort emporragende Insel; rechts steigen Felswände empor, an welchen die Wellen sich spielend zu üben scheinen, dahintervor sieht eine Stadt, und oben herein der Gipfel des Aetna. Im Westen sinkt die Sonne in das Meer, welches bei ihrem Scheideblick zu dunkeln beginnt. Am Ufer unter einem Zelte scherzen Acis und Galatea mit einander, während Polyphem auf dem Felsen, umgeben von der Heerde, die Flöte bläst. Weich und warm wogt das Meer, es leuchten die silbernen Spitzen der brandenden Wellen im dunkeln Schlagschatten der Felsen. Duftig glühen der Himmel und das sich kräuselnde Meer.

Man kann bei dem Anblicke eines solchen Bildes in ein süßes musicalisches Dahinträumen gerathen, aus welchem scheu, leise und lächelnd die schaumgeborene Göttin mit den ewig jungen Reizen emportaucht, herz- und sinnbestrickend.

Das ist die Seele der romanischen Welt! - Wieviel düsterer spricht sich die nordisch-skandinavische aus in

eine Virgil’sche Ecloge, vor welcher die christliche Mythe in der Ferne entflieht, indem sie dem alten Pan Raum macht.

Später Nachmittag.

Wir stehen an der Küste von Sicilien und blicken hinaus in das unendliche Meer, dessen Ferne noch geheimnißvoller wird durch eine dort emporragende Insel; rechts steigen Felswände empor, an welchen die Wellen sich spielend zu üben scheinen, dahintervor sieht eine Stadt, und oben herein der Gipfel des Aetna. Im Westen sinkt die Sonne in das Meer, welches bei ihrem Scheideblick zu dunkeln beginnt. Am Ufer unter einem Zelte scherzen Acis und Galatea mit einander, während Polyphem auf dem Felsen, umgeben von der Heerde, die Flöte bläst. Weich und warm wogt das Meer, es leuchten die silbernen Spitzen der brandenden Wellen im dunkeln Schlagschatten der Felsen. Duftig glühen der Himmel und das sich kräuselnde Meer.

Man kann bei dem Anblicke eines solchen Bildes in ein süßes musicalisches Dahinträumen gerathen, aus welchem scheu, leise und lächelnd die schaumgeborene Göttin mit den ewig jungen Reizen emportaucht, herz- und sinnbestrickend.

Das ist die Seele der romanischen Welt! – Wieviel düsterer spricht sich die nordisch-skandinavische aus in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0199" n="189"/>
eine Virgil&#x2019;sche Ecloge, vor welcher die christliche Mythe in der Ferne entflieht, indem sie dem alten Pan Raum macht.</p>
        <p rendition="#c"> <hi rendition="#g">Später Nachmittag.</hi> </p>
        <p>Wir stehen an der Küste von Sicilien und blicken hinaus in das unendliche Meer, dessen Ferne noch geheimnißvoller wird durch eine dort emporragende Insel; rechts steigen Felswände empor, an welchen die Wellen sich spielend zu üben scheinen, dahintervor sieht eine Stadt, und oben herein der Gipfel des Aetna. Im Westen sinkt die Sonne in das Meer, welches bei ihrem Scheideblick zu dunkeln beginnt. Am Ufer unter einem Zelte scherzen Acis und Galatea mit einander, während Polyphem auf dem Felsen, umgeben von der Heerde, die Flöte bläst. Weich und warm wogt das Meer, es leuchten die silbernen Spitzen der brandenden Wellen im dunkeln Schlagschatten der Felsen. Duftig glühen der Himmel und das sich kräuselnde Meer.</p>
        <p>Man kann bei dem Anblicke eines solchen Bildes in ein süßes musicalisches Dahinträumen gerathen, aus welchem scheu, leise und lächelnd die schaumgeborene Göttin mit den ewig jungen Reizen emportaucht, herz- und sinnbestrickend.</p>
        <p>Das ist die Seele der romanischen Welt! &#x2013; Wieviel düsterer spricht sich die nordisch-skandinavische aus in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[189/0199] eine Virgil’sche Ecloge, vor welcher die christliche Mythe in der Ferne entflieht, indem sie dem alten Pan Raum macht. Später Nachmittag. Wir stehen an der Küste von Sicilien und blicken hinaus in das unendliche Meer, dessen Ferne noch geheimnißvoller wird durch eine dort emporragende Insel; rechts steigen Felswände empor, an welchen die Wellen sich spielend zu üben scheinen, dahintervor sieht eine Stadt, und oben herein der Gipfel des Aetna. Im Westen sinkt die Sonne in das Meer, welches bei ihrem Scheideblick zu dunkeln beginnt. Am Ufer unter einem Zelte scherzen Acis und Galatea mit einander, während Polyphem auf dem Felsen, umgeben von der Heerde, die Flöte bläst. Weich und warm wogt das Meer, es leuchten die silbernen Spitzen der brandenden Wellen im dunkeln Schlagschatten der Felsen. Duftig glühen der Himmel und das sich kräuselnde Meer. Man kann bei dem Anblicke eines solchen Bildes in ein süßes musicalisches Dahinträumen gerathen, aus welchem scheu, leise und lächelnd die schaumgeborene Göttin mit den ewig jungen Reizen emportaucht, herz- und sinnbestrickend. Das ist die Seele der romanischen Welt! – Wieviel düsterer spricht sich die nordisch-skandinavische aus in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-03-04T10:41:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-04T10:41:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-04T10:41:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844/199
Zitationshilfe: Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844/199>, abgerufen am 06.05.2024.