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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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So hatte er schon oft zwischen den Kulissen
in Gedanken vertieft gestanden, und stand auch
diesmal wieder so, als er auf einmal den Bi¬
bliothekarius Reichardt auf sich zukommen sah,
von dem er schon seit einigen Tagen eine ent¬
scheidende Antwort erwartet hatte.

Die Miene desselben verkündigte schon nichts
Gutes, und er redete Reisern mit den trocknen
Worten an, es thäte ihm leid, ihm sagen zu
müssen, daß aus seinem Engagement beim
Theater nichts werden, und daß er auch zur
Debütrolle nicht kommen könne -- Mit diesen
Worten gab er Reisern die geschriebenen Ge¬
dichte zurück, indem er gleichsam zum Trost hin¬
zufügte, es herrsche eine leichte Versifikation
darin, und er solle dieß Talent ja nicht vernach¬
lässigen.

Reiser der an Leib und Seele gelähmt war,
konnte kein Wort hierauf antworten, sondern
ging hin, wo das Theater mit seinem letzten
Vorhange ganz am Ende an die kahle Mauer
grenzt, und stützte sich verzweiflungsvoll mit
dem Kopfe an die Wand. Denn er war nun
wirklich unglücklich, und doppelt unglücklich --

Der

So hatte er ſchon oft zwiſchen den Kuliſſen
in Gedanken vertieft geſtanden, und ſtand auch
diesmal wieder ſo, als er auf einmal den Bi¬
bliothekarius Reichardt auf ſich zukommen ſah,
von dem er ſchon ſeit einigen Tagen eine ent¬
ſcheidende Antwort erwartet hatte.

Die Miene deſſelben verkuͤndigte ſchon nichts
Gutes, und er redete Reiſern mit den trocknen
Worten an, es thaͤte ihm leid, ihm ſagen zu
muͤſſen, daß aus ſeinem Engagement beim
Theater nichts werden, und daß er auch zur
Debuͤtrolle nicht kommen koͤnne — Mit dieſen
Worten gab er Reiſern die geſchriebenen Ge¬
dichte zuruͤck, indem er gleichſam zum Troſt hin¬
zufuͤgte, es herrſche eine leichte Verſifikation
darin, und er ſolle dieß Talent ja nicht vernach¬
laͤſſigen.

Reiſer der an Leib und Seele gelaͤhmt war,
konnte kein Wort hierauf antworten, ſondern
ging hin, wo das Theater mit ſeinem letzten
Vorhange ganz am Ende an die kahle Mauer
grenzt, und ſtuͤtzte ſich verzweiflungsvoll mit
dem Kopfe an die Wand. Denn er war nun
wirklich ungluͤcklich, und doppelt ungluͤcklich —

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[64/0078] So hatte er ſchon oft zwiſchen den Kuliſſen in Gedanken vertieft geſtanden, und ſtand auch diesmal wieder ſo, als er auf einmal den Bi¬ bliothekarius Reichardt auf ſich zukommen ſah, von dem er ſchon ſeit einigen Tagen eine ent¬ ſcheidende Antwort erwartet hatte. Die Miene deſſelben verkuͤndigte ſchon nichts Gutes, und er redete Reiſern mit den trocknen Worten an, es thaͤte ihm leid, ihm ſagen zu muͤſſen, daß aus ſeinem Engagement beim Theater nichts werden, und daß er auch zur Debuͤtrolle nicht kommen koͤnne — Mit dieſen Worten gab er Reiſern die geſchriebenen Ge¬ dichte zuruͤck, indem er gleichſam zum Troſt hin¬ zufuͤgte, es herrſche eine leichte Verſifikation darin, und er ſolle dieß Talent ja nicht vernach¬ laͤſſigen. Reiſer der an Leib und Seele gelaͤhmt war, konnte kein Wort hierauf antworten, ſondern ging hin, wo das Theater mit ſeinem letzten Vorhange ganz am Ende an die kahle Mauer grenzt, und ſtuͤtzte ſich verzweiflungsvoll mit dem Kopfe an die Wand. Denn er war nun wirklich ungluͤcklich, und doppelt ungluͤcklich — Der

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/78>, abgerufen am 07.05.2024.