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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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Durch die Stadt eilte er so schnell wie mög¬
lich, erkundigte sich nach dem Thore aus wel¬
chem der Weg nach Erfurt geht, und verdop¬
pelte seine Schritte, so oft er etwas einer Sol¬
datenkleidung Aehnliches nur von fern erblickte.

Wie froh schüttelte er den Staub von seinen
Füßen über diese Stadt, als er den letzten
Schlagbaum zurückgelegt hatte, und keinen
preußischen Werber hinter noch neben sich sahe.

Die grünen Thurmspitzen blieben das einzige
Bild, was er von diesem Häuserhaufen mit sich
nahm; alles übrige war verloschen; so schnell
war seine Einbildungskraft über die Gegen¬
stände hinweggegleitet.

Er näherte sich nun immer mehr dem Ziele
seiner Reise, und betrachtete das Zurückgelegte
mit stillem Vergnügen, wobei ihm besonders
seine Sparsamkeit und harte Lebensart einen
süßen Triumph gewährten, da nun die Beschwer¬
lichkeiten beinahe überstanden waren. Demohn¬
geachtet aber fühlte er wiederum eine Art von
Aengstlichkeit, je kleiner der Zwischenraum zwi¬
schen ihm und seinen ungewissen Aussichten
wurde.

Durch die Stadt eilte er ſo ſchnell wie moͤg¬
lich, erkundigte ſich nach dem Thore aus wel¬
chem der Weg nach Erfurt geht, und verdop¬
pelte ſeine Schritte, ſo oft er etwas einer Sol¬
datenkleidung Aehnliches nur von fern erblickte.

Wie froh ſchuͤttelte er den Staub von ſeinen
Fuͤßen uͤber dieſe Stadt, als er den letzten
Schlagbaum zuruͤckgelegt hatte, und keinen
preußiſchen Werber hinter noch neben ſich ſahe.

Die gruͤnen Thurmſpitzen blieben das einzige
Bild, was er von dieſem Haͤuſerhaufen mit ſich
nahm; alles uͤbrige war verloſchen; ſo ſchnell
war ſeine Einbildungskraft uͤber die Gegen¬
ſtaͤnde hinweggegleitet.

Er naͤherte ſich nun immer mehr dem Ziele
ſeiner Reiſe, und betrachtete das Zuruͤckgelegte
mit ſtillem Vergnuͤgen, wobei ihm beſonders
ſeine Sparſamkeit und harte Lebensart einen
ſuͤßen Triumph gewaͤhrten, da nun die Beſchwer¬
lichkeiten beinahe uͤberſtanden waren. Demohn¬
geachtet aber fuͤhlte er wiederum eine Art von
Aengſtlichkeit, je kleiner der Zwiſchenraum zwi¬
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[38/0052] Durch die Stadt eilte er ſo ſchnell wie moͤg¬ lich, erkundigte ſich nach dem Thore aus wel¬ chem der Weg nach Erfurt geht, und verdop¬ pelte ſeine Schritte, ſo oft er etwas einer Sol¬ datenkleidung Aehnliches nur von fern erblickte. Wie froh ſchuͤttelte er den Staub von ſeinen Fuͤßen uͤber dieſe Stadt, als er den letzten Schlagbaum zuruͤckgelegt hatte, und keinen preußiſchen Werber hinter noch neben ſich ſahe. Die gruͤnen Thurmſpitzen blieben das einzige Bild, was er von dieſem Haͤuſerhaufen mit ſich nahm; alles uͤbrige war verloſchen; ſo ſchnell war ſeine Einbildungskraft uͤber die Gegen¬ ſtaͤnde hinweggegleitet. Er naͤherte ſich nun immer mehr dem Ziele ſeiner Reiſe, und betrachtete das Zuruͤckgelegte mit ſtillem Vergnuͤgen, wobei ihm beſonders ſeine Sparſamkeit und harte Lebensart einen ſuͤßen Triumph gewaͤhrten, da nun die Beſchwer¬ lichkeiten beinahe uͤberſtanden waren. Demohn¬ geachtet aber fuͤhlte er wiederum eine Art von Aengſtlichkeit, je kleiner der Zwiſchenraum zwi¬ ſchen ihm und ſeinen ungewiſſen Ausſichten wurde.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/52>, abgerufen am 07.05.2024.