Klavigo, der ihm so viel Thränen gekostet hatte, war ihm nun zu kalt, und Beaumar¬ chais trat an seine Stelle. -- Dann kamen Hamlet, Lear, Othello, an die Reihe, die damals noch auf keiner deutschen Bühne vorge¬ stellt wurden, und die er seinem Philipp Reiser ganz allein in schauervollen Nächten vorgele¬ sen, und alle diese Rollen selbst durchgespielt, selbst durchempfunden hatte.
Nun gesellte sich hierzu die Dichtkunst; so sanft und melodisch floß sein Vers dahin, und so bescheiden und doch voll edlen Stolzes war seine Muse, daß sie die Zuneigung aller Herzen ihm sicher gewinnen mußte. -- Er wußte zwar noch nicht eigentlich, was dieß nun für ein Ge¬ dicht seyn sollte, aber im Ganzen war es das schönste und harmonischste, was er sich denken konnte, weil es getreuer Abdruck seiner vollen Empfindung war.
Mitten in einem solchen lyrischen Schwunge seiner Gedanken war es, als er dicht bei See¬ sen, einen Fußpfad ging, der ihn von der Straße ab, über eine Wiese führte, wo gerade ein Schei¬ benschießen war, das allen seinen schimmernden
Klavigo, der ihm ſo viel Thraͤnen gekoſtet hatte, war ihm nun zu kalt, und Beaumar¬ chais trat an ſeine Stelle. — Dann kamen Hamlet, Lear, Othello, an die Reihe, die damals noch auf keiner deutſchen Buͤhne vorge¬ ſtellt wurden, und die er ſeinem Philipp Reiſer ganz allein in ſchauervollen Naͤchten vorgele¬ ſen, und alle dieſe Rollen ſelbſt durchgeſpielt, ſelbſt durchempfunden hatte.
Nun geſellte ſich hierzu die Dichtkunſt; ſo ſanft und melodiſch floß ſein Vers dahin, und ſo beſcheiden und doch voll edlen Stolzes war ſeine Muſe, daß ſie die Zuneigung aller Herzen ihm ſicher gewinnen mußte. — Er wußte zwar noch nicht eigentlich, was dieß nun fuͤr ein Ge¬ dicht ſeyn ſollte, aber im Ganzen war es das ſchoͤnſte und harmoniſchſte, was er ſich denken konnte, weil es getreuer Abdruck ſeiner vollen Empfindung war.
Mitten in einem ſolchen lyriſchen Schwunge ſeiner Gedanken war es, als er dicht bei See¬ ſen, einen Fußpfad ging, der ihn von der Straße ab, uͤber eine Wieſe fuͤhrte, wo gerade ein Schei¬ benſchießen war, das allen ſeinen ſchimmernden
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Klavigo, der ihm ſo viel Thraͤnen gekoſtet
hatte, war ihm nun zu kalt, und Beaumar¬
chais trat an ſeine Stelle. — Dann kamen
Hamlet, Lear, Othello, an die Reihe, die
damals noch auf keiner deutſchen Buͤhne vorge¬
ſtellt wurden, und die er ſeinem Philipp Reiſer
ganz allein in ſchauervollen Naͤchten vorgele¬
ſen, und alle dieſe Rollen ſelbſt durchgeſpielt,
ſelbſt durchempfunden hatte.
Nun geſellte ſich hierzu die Dichtkunſt; ſo
ſanft und melodiſch floß ſein Vers dahin, und
ſo beſcheiden und doch voll edlen Stolzes war
ſeine Muſe, daß ſie die Zuneigung aller Herzen
ihm ſicher gewinnen mußte. — Er wußte zwar
noch nicht eigentlich, was dieß nun fuͤr ein Ge¬
dicht ſeyn ſollte, aber im Ganzen war es das
ſchoͤnſte und harmoniſchſte, was er ſich denken
konnte, weil es getreuer Abdruck ſeiner vollen
Empfindung war.
Mitten in einem ſolchen lyriſchen Schwunge
ſeiner Gedanken war es, als er dicht bei See¬
ſen, einen Fußpfad ging, der ihn von der Straße
ab, uͤber eine Wieſe fuͤhrte, wo gerade ein Schei¬
benſchießen war, das allen ſeinen ſchimmernden
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/29>, abgerufen am 07.07.2024.
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