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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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sem eben so nachsichtsvoll, wie von seinem an¬
dern Gönner behandelt; und der Doktor Froriep
erklärte sich, daß er seinen Entschluß ihm nicht
nur nicht widerrathen, sondern ihn vielmehr
darin bestärken würde, wenn die Schaubühne
schon in dem Maße eine Schule der Sitten wä¬
re, als sie es eigentlich seyn könnte, und seyn
sollte.

Eine kleine Ironie fügte er denn doch am En¬
de nicht ohne Grund hinzu, indem er zu seiner
kleinen Tochter, die er auf dem Arme trug, sag¬
te; wenn du groß bist, so wirst du denn auch
einmal von dem berühmten Schauspieler Reiser
hören, dessen Nahme in ganz Deutschland be¬
rühmt ist! Aber auch diese sehr wohlgemeinte
Ironie blieb bei Reisern fruchtlos, der sich dem¬
ohngeachtet mit inniger Rührung und bittern
Vorwürfen gegen sich selber an alles das erin¬
nerte, was der Doktor Froriep für ihn schon ge¬
than hatte, und wovon er nun selbst den End¬
zweck vereitelte.

Allein es schien ihm nunmehro Pflicht der
Selbsterhaltung, allen diesen innern Vorwür¬
fen kein Gehör zu geben, weil er sich fest über¬

ſem eben ſo nachſichtsvoll, wie von ſeinem an¬
dern Goͤnner behandelt; und der Doktor Froriep
erklaͤrte ſich, daß er ſeinen Entſchluß ihm nicht
nur nicht widerrathen, ſondern ihn vielmehr
darin beſtaͤrken wuͤrde, wenn die Schaubuͤhne
ſchon in dem Maße eine Schule der Sitten waͤ¬
re, als ſie es eigentlich ſeyn koͤnnte, und ſeyn
ſollte.

Eine kleine Ironie fuͤgte er denn doch am En¬
de nicht ohne Grund hinzu, indem er zu ſeiner
kleinen Tochter, die er auf dem Arme trug, ſag¬
te; wenn du groß biſt, ſo wirſt du denn auch
einmal von dem beruͤhmten Schauſpieler Reiſer
hoͤren, deſſen Nahme in ganz Deutſchland be¬
ruͤhmt iſt! Aber auch dieſe ſehr wohlgemeinte
Ironie blieb bei Reiſern fruchtlos, der ſich dem¬
ohngeachtet mit inniger Ruͤhrung und bittern
Vorwuͤrfen gegen ſich ſelber an alles das erin¬
nerte, was der Doktor Froriep fuͤr ihn ſchon ge¬
than hatte, und wovon er nun ſelbſt den End¬
zweck vereitelte.

Allein es ſchien ihm nunmehro Pflicht der
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[194/0208] ſem eben ſo nachſichtsvoll, wie von ſeinem an¬ dern Goͤnner behandelt; und der Doktor Froriep erklaͤrte ſich, daß er ſeinen Entſchluß ihm nicht nur nicht widerrathen, ſondern ihn vielmehr darin beſtaͤrken wuͤrde, wenn die Schaubuͤhne ſchon in dem Maße eine Schule der Sitten waͤ¬ re, als ſie es eigentlich ſeyn koͤnnte, und ſeyn ſollte. Eine kleine Ironie fuͤgte er denn doch am En¬ de nicht ohne Grund hinzu, indem er zu ſeiner kleinen Tochter, die er auf dem Arme trug, ſag¬ te; wenn du groß biſt, ſo wirſt du denn auch einmal von dem beruͤhmten Schauſpieler Reiſer hoͤren, deſſen Nahme in ganz Deutſchland be¬ ruͤhmt iſt! Aber auch dieſe ſehr wohlgemeinte Ironie blieb bei Reiſern fruchtlos, der ſich dem¬ ohngeachtet mit inniger Ruͤhrung und bittern Vorwuͤrfen gegen ſich ſelber an alles das erin¬ nerte, was der Doktor Froriep fuͤr ihn ſchon ge¬ than hatte, und wovon er nun ſelbſt den End¬ zweck vereitelte. Allein es ſchien ihm nunmehro Pflicht der Selbſterhaltung, allen dieſen innern Vorwuͤr¬ fen kein Gehoͤr zu geben, weil er ſich feſt uͤber¬

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/208>, abgerufen am 03.05.2024.