zu seinen Fortschritten, und die Ehre ist nur der Sporn, der ihn antreibt.
Die bloße Ruhmbegier kann wohl die Begier einhauchen, ein großes Werk zu beginnen, allein die Kraft dazu kann sie dem nie gewähren, der sie nicht schon besaß, ehe er selbst die Ruhmbe¬ gier noch kannte.
Noch ein drittes schlimmes Zeichen ist, wenn junge Dichter ihren Stoff sehr gerne aus dem Entfernten und Unbekannten nehmen; wenn sie gern morgenländische Vorstellungsarten, und dergleichen bearbeiten, wo alles von den Scenen des gewöhnlichen nächsten Lebens der Menschen ganz verschieden ist; und wo also auch der Stoff schon von selber poetisch wird.
Dieß war denn auch der Fall bei Reisern; er gieng schon lange mit einem Gedicht über die Schöpfung schwanger, wo der Stoff nun frei¬ lich der allerentfernteste war, den die Einbil¬ dungskraft sich denken konnte, und wo er statt des Detail, vor dem er sich scheute, lauter große Massen vor sich fand, deren Darstellung man denn für die eigentlich erhabene Poesie hält, und wozu die unberufenen jungen Dichter immer weit
zu ſeinen Fortſchritten, und die Ehre iſt nur der Sporn, der ihn antreibt.
Die bloße Ruhmbegier kann wohl die Begier einhauchen, ein großes Werk zu beginnen, allein die Kraft dazu kann ſie dem nie gewaͤhren, der ſie nicht ſchon beſaß, ehe er ſelbſt die Ruhmbe¬ gier noch kannte.
Noch ein drittes ſchlimmes Zeichen iſt, wenn junge Dichter ihren Stoff ſehr gerne aus dem Entfernten und Unbekannten nehmen; wenn ſie gern morgenlaͤndiſche Vorſtellungsarten, und dergleichen bearbeiten, wo alles von den Scenen des gewoͤhnlichen naͤchſten Lebens der Menſchen ganz verſchieden iſt; und wo alſo auch der Stoff ſchon von ſelber poetiſch wird.
Dieß war denn auch der Fall bei Reiſern; er gieng ſchon lange mit einem Gedicht uͤber die Schoͤpfung ſchwanger, wo der Stoff nun frei¬ lich der allerentfernteſte war, den die Einbil¬ dungskraft ſich denken konnte, und wo er ſtatt des Detail, vor dem er ſich ſcheute, lauter große Maſſen vor ſich fand, deren Darſtellung man denn fuͤr die eigentlich erhabene Poeſie haͤlt, und wozu die unberufenen jungen Dichter immer weit
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zu ſeinen Fortſchritten, und die Ehre iſt nur der
Sporn, der ihn antreibt.
Die bloße Ruhmbegier kann wohl die Begier
einhauchen, ein großes Werk zu beginnen, allein
die Kraft dazu kann ſie dem nie gewaͤhren, der
ſie nicht ſchon beſaß, ehe er ſelbſt die Ruhmbe¬
gier noch kannte.
Noch ein drittes ſchlimmes Zeichen iſt, wenn
junge Dichter ihren Stoff ſehr gerne aus dem
Entfernten und Unbekannten nehmen; wenn ſie
gern morgenlaͤndiſche Vorſtellungsarten, und
dergleichen bearbeiten, wo alles von den Scenen
des gewoͤhnlichen naͤchſten Lebens der Menſchen
ganz verſchieden iſt; und wo alſo auch der Stoff
ſchon von ſelber poetiſch wird.
Dieß war denn auch der Fall bei Reiſern;
er gieng ſchon lange mit einem Gedicht uͤber die
Schoͤpfung ſchwanger, wo der Stoff nun frei¬
lich der allerentfernteſte war, den die Einbil¬
dungskraft ſich denken konnte, und wo er ſtatt
des Detail, vor dem er ſich ſcheute, lauter große
Maſſen vor ſich fand, deren Darſtellung man
denn fuͤr die eigentlich erhabene Poeſie haͤlt, und
wozu die unberufenen jungen Dichter immer weit
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/176>, abgerufen am 07.07.2024.
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