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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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pfindsamkeit sich wechselsweise einander mit¬
theilten.

Dieß geschahe nun vorzüglich auf ihren ein¬
samen Spaziergängen, wo sie nur gar zu oft
zwischen sich und der Natur eine Scene veran¬
stalteten, indem sie etwa bei Sonnenuntergang
die Jünger von Emaus aus dem Klopstock la¬
sen, oder an einem trüben Tage, Zachariäs
Schöpfung der Hölle, u. s. w.

Vorzüglich lagerten sie sich oft am Abhange
des Steigerwaldes, von welchem man die Stadt
Erfurt, mit ihren alten Thürmen und ihrem
ganzen Umfange von Gärten, kann liegen
sehen. Da hinauf gehen die Einwohner von
Erfurt häufig spazieren, machen sich auch wohl
oben selbst ein kleines Feuer an, und kochen sich
den Kaffe, um die patriarchalischen Ideen wie¬
der zu erneuern.

Hier saßen nun auch N. . . . und Reiser oft
Stunden lang, und lasen sich aus irgend einem
Dichter wechselsweise vor; welches die meiste
Zeit eine wahre Mühe und Arbeit, und ein
peinlicher Zustand für sie war, den sie sich aber
einander nicht gestanden, um nur am Ende die

pfindſamkeit ſich wechſelsweiſe einander mit¬
theilten.

Dieß geſchahe nun vorzuͤglich auf ihren ein¬
ſamen Spaziergaͤngen, wo ſie nur gar zu oft
zwiſchen ſich und der Natur eine Scene veran¬
ſtalteten, indem ſie etwa bei Sonnenuntergang
die Juͤnger von Emaus aus dem Klopſtock la¬
ſen, oder an einem truͤben Tage, Zachariaͤs
Schoͤpfung der Hoͤlle, u. ſ. w.

Vorzuͤglich lagerten ſie ſich oft am Abhange
des Steigerwaldes, von welchem man die Stadt
Erfurt, mit ihren alten Thuͤrmen und ihrem
ganzen Umfange von Gaͤrten, kann liegen
ſehen. Da hinauf gehen die Einwohner von
Erfurt haͤufig ſpazieren, machen ſich auch wohl
oben ſelbſt ein kleines Feuer an, und kochen ſich
den Kaffe, um die patriarchaliſchen Ideen wie¬
der zu erneuern.

Hier ſaßen nun auch N. . . . und Reiſer oft
Stunden lang, und laſen ſich aus irgend einem
Dichter wechſelsweiſe vor; welches die meiſte
Zeit eine wahre Muͤhe und Arbeit, und ein
peinlicher Zuſtand fuͤr ſie war, den ſie ſich aber
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[148/0162] pfindſamkeit ſich wechſelsweiſe einander mit¬ theilten. Dieß geſchahe nun vorzuͤglich auf ihren ein¬ ſamen Spaziergaͤngen, wo ſie nur gar zu oft zwiſchen ſich und der Natur eine Scene veran¬ ſtalteten, indem ſie etwa bei Sonnenuntergang die Juͤnger von Emaus aus dem Klopſtock la¬ ſen, oder an einem truͤben Tage, Zachariaͤs Schoͤpfung der Hoͤlle, u. ſ. w. Vorzuͤglich lagerten ſie ſich oft am Abhange des Steigerwaldes, von welchem man die Stadt Erfurt, mit ihren alten Thuͤrmen und ihrem ganzen Umfange von Gaͤrten, kann liegen ſehen. Da hinauf gehen die Einwohner von Erfurt haͤufig ſpazieren, machen ſich auch wohl oben ſelbſt ein kleines Feuer an, und kochen ſich den Kaffe, um die patriarchaliſchen Ideen wie¬ der zu erneuern. Hier ſaßen nun auch N. . . . und Reiſer oft Stunden lang, und laſen ſich aus irgend einem Dichter wechſelsweiſe vor; welches die meiſte Zeit eine wahre Muͤhe und Arbeit, und ein peinlicher Zuſtand fuͤr ſie war, den ſie ſich aber einander nicht geſtanden, um nur am Ende die

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/162>, abgerufen am 24.11.2024.