pfindsamkeit sich wechselsweise einander mit¬ theilten.
Dieß geschahe nun vorzüglich auf ihren ein¬ samen Spaziergängen, wo sie nur gar zu oft zwischen sich und der Natur eine Scene veran¬ stalteten, indem sie etwa bei Sonnenuntergang die Jünger von Emaus aus dem Klopstock la¬ sen, oder an einem trüben Tage, Zachariäs Schöpfung der Hölle, u. s. w.
Vorzüglich lagerten sie sich oft am Abhange des Steigerwaldes, von welchem man die Stadt Erfurt, mit ihren alten Thürmen und ihrem ganzen Umfange von Gärten, kann liegen sehen. Da hinauf gehen die Einwohner von Erfurt häufig spazieren, machen sich auch wohl oben selbst ein kleines Feuer an, und kochen sich den Kaffe, um die patriarchalischen Ideen wie¬ der zu erneuern.
Hier saßen nun auch N. . . . und Reiser oft Stunden lang, und lasen sich aus irgend einem Dichter wechselsweise vor; welches die meiste Zeit eine wahre Mühe und Arbeit, und ein peinlicher Zustand für sie war, den sie sich aber einander nicht gestanden, um nur am Ende die
Dieß geſchahe nun vorzuͤglich auf ihren ein¬ ſamen Spaziergaͤngen, wo ſie nur gar zu oft zwiſchen ſich und der Natur eine Scene veran¬ ſtalteten, indem ſie etwa bei Sonnenuntergang die Juͤnger von Emaus aus dem Klopſtock la¬ ſen, oder an einem truͤben Tage, Zachariaͤs Schoͤpfung der Hoͤlle, u. ſ. w.
Vorzuͤglich lagerten ſie ſich oft am Abhange des Steigerwaldes, von welchem man die Stadt Erfurt, mit ihren alten Thuͤrmen und ihrem ganzen Umfange von Gaͤrten, kann liegen ſehen. Da hinauf gehen die Einwohner von Erfurt haͤufig ſpazieren, machen ſich auch wohl oben ſelbſt ein kleines Feuer an, und kochen ſich den Kaffe, um die patriarchaliſchen Ideen wie¬ der zu erneuern.
Hier ſaßen nun auch N. . . . und Reiſer oft Stunden lang, und laſen ſich aus irgend einem Dichter wechſelsweiſe vor; welches die meiſte Zeit eine wahre Muͤhe und Arbeit, und ein peinlicher Zuſtand fuͤr ſie war, den ſie ſich aber einander nicht geſtanden, um nur am Ende die
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0162"n="148"/>
pfindſamkeit ſich wechſelsweiſe einander mit¬<lb/>
theilten.</p><lb/><p>Dieß geſchahe nun vorzuͤglich auf ihren ein¬<lb/>ſamen Spaziergaͤngen, wo ſie nur gar zu oft<lb/>
zwiſchen ſich und der Natur eine Scene veran¬<lb/>ſtalteten, indem ſie etwa bei Sonnenuntergang<lb/>
die Juͤnger von Emaus aus dem Klopſtock la¬<lb/>ſen, oder an einem truͤben Tage, Zachariaͤs<lb/>
Schoͤpfung der Hoͤlle, u. ſ. w.</p><lb/><p>Vorzuͤglich lagerten ſie ſich oft am Abhange<lb/>
des Steigerwaldes, von welchem man die Stadt<lb/>
Erfurt, mit ihren alten Thuͤrmen und ihrem<lb/>
ganzen Umfange von Gaͤrten, kann liegen<lb/>ſehen. Da hinauf gehen die Einwohner von<lb/>
Erfurt haͤufig ſpazieren, machen ſich auch wohl<lb/>
oben ſelbſt ein kleines Feuer an, und kochen ſich<lb/>
den Kaffe, um die patriarchaliſchen Ideen wie¬<lb/>
der zu erneuern.</p><lb/><p>Hier ſaßen nun auch N. . . . und Reiſer oft<lb/>
Stunden lang, und laſen ſich aus irgend einem<lb/>
Dichter wechſelsweiſe vor; welches die meiſte<lb/>
Zeit eine wahre Muͤhe und Arbeit, und ein<lb/>
peinlicher Zuſtand fuͤr ſie war, den ſie ſich aber<lb/>
einander nicht geſtanden, um nur am Ende die<lb/></p></body></text></TEI>
[148/0162]
pfindſamkeit ſich wechſelsweiſe einander mit¬
theilten.
Dieß geſchahe nun vorzuͤglich auf ihren ein¬
ſamen Spaziergaͤngen, wo ſie nur gar zu oft
zwiſchen ſich und der Natur eine Scene veran¬
ſtalteten, indem ſie etwa bei Sonnenuntergang
die Juͤnger von Emaus aus dem Klopſtock la¬
ſen, oder an einem truͤben Tage, Zachariaͤs
Schoͤpfung der Hoͤlle, u. ſ. w.
Vorzuͤglich lagerten ſie ſich oft am Abhange
des Steigerwaldes, von welchem man die Stadt
Erfurt, mit ihren alten Thuͤrmen und ihrem
ganzen Umfange von Gaͤrten, kann liegen
ſehen. Da hinauf gehen die Einwohner von
Erfurt haͤufig ſpazieren, machen ſich auch wohl
oben ſelbſt ein kleines Feuer an, und kochen ſich
den Kaffe, um die patriarchaliſchen Ideen wie¬
der zu erneuern.
Hier ſaßen nun auch N. . . . und Reiſer oft
Stunden lang, und laſen ſich aus irgend einem
Dichter wechſelsweiſe vor; welches die meiſte
Zeit eine wahre Muͤhe und Arbeit, und ein
peinlicher Zuſtand fuͤr ſie war, den ſie ſich aber
einander nicht geſtanden, um nur am Ende die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/162>, abgerufen am 07.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.