beste Gelegenheit, den Schauplatz zu betreten von selbst darböte.
Und was die erste Hälfte seiner Lüge anbe¬ traf, so suchte er sich einzubilden, daß in seiner Rede, die er an der Königin Geburtstage ge¬ halten, wirklich einige verfängliche Stellen wä¬ ren, die wohl jemand zu seinem Nachtheil aus¬ gedeutet haben könnte. Ob dieß nun wirklich geschehen sey, das berührte er nun nicht weiter, sondern beruhigte sich dießmal bei der Möglich¬ keit, weil er sich nicht anders zu helfen wußte.
Denn er durfte nicht sagen, daß er aus Nei¬ gung zum Theater aus Hannover gegangen sey, wenn sein Trieb zum Studiren wahrscheinlich bleiben sollte, und die Duellgeschichte paßte hier auch nicht her.
Der Doktor Froriep schien ihm zwar nicht recht zu glauben, allein er faßte eine höhere Idee von Reisern, als dieser erwarten konnte, lndem er ihn für einen Sohn angesehener Eltern hielt, mit denen er sich entzweiet habe, und de¬ ren Nahmen er nur verschwiege. Reiser fand es für sich schmeichelhaft, daß man eine solche Meinung von ihm hegen konnte, die ihm um
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beſte Gelegenheit, den Schauplatz zu betreten von ſelbſt darboͤte.
Und was die erſte Haͤlfte ſeiner Luͤge anbe¬ traf, ſo ſuchte er ſich einzubilden, daß in ſeiner Rede, die er an der Koͤnigin Geburtstage ge¬ halten, wirklich einige verfaͤngliche Stellen waͤ¬ ren, die wohl jemand zu ſeinem Nachtheil aus¬ gedeutet haben koͤnnte. Ob dieß nun wirklich geſchehen ſey, das beruͤhrte er nun nicht weiter, ſondern beruhigte ſich dießmal bei der Moͤglich¬ keit, weil er ſich nicht anders zu helfen wußte.
Denn er durfte nicht ſagen, daß er aus Nei¬ gung zum Theater aus Hannover gegangen ſey, wenn ſein Trieb zum Studiren wahrſcheinlich bleiben ſollte, und die Duellgeſchichte paßte hier auch nicht her.
Der Doktor Froriep ſchien ihm zwar nicht recht zu glauben, allein er faßte eine hoͤhere Idee von Reiſern, als dieſer erwarten konnte, lndem er ihn fuͤr einen Sohn angeſehener Eltern hielt, mit denen er ſich entzweiet habe, und de¬ ren Nahmen er nur verſchwiege. Reiſer fand es fuͤr ſich ſchmeichelhaft, daß man eine ſolche Meinung von ihm hegen konnte, die ihm um
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beſte Gelegenheit, den Schauplatz zu betreten
von ſelbſt darboͤte.
Und was die erſte Haͤlfte ſeiner Luͤge anbe¬
traf, ſo ſuchte er ſich einzubilden, daß in ſeiner
Rede, die er an der Koͤnigin Geburtstage ge¬
halten, wirklich einige verfaͤngliche Stellen waͤ¬
ren, die wohl jemand zu ſeinem Nachtheil aus¬
gedeutet haben koͤnnte. Ob dieß nun wirklich
geſchehen ſey, das beruͤhrte er nun nicht weiter,
ſondern beruhigte ſich dießmal bei der Moͤglich¬
keit, weil er ſich nicht anders zu helfen wußte.
Denn er durfte nicht ſagen, daß er aus Nei¬
gung zum Theater aus Hannover gegangen ſey,
wenn ſein Trieb zum Studiren wahrſcheinlich
bleiben ſollte, und die Duellgeſchichte paßte hier
auch nicht her.
Der Doktor Froriep ſchien ihm zwar nicht
recht zu glauben, allein er faßte eine hoͤhere
Idee von Reiſern, als dieſer erwarten konnte,
lndem er ihn fuͤr einen Sohn angeſehener Eltern
hielt, mit denen er ſich entzweiet habe, und de¬
ren Nahmen er nur verſchwiege. Reiſer fand
es fuͤr ſich ſchmeichelhaft, daß man eine ſolche
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/117>, abgerufen am 07.07.2024.
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