Dieser Prediger betrachtete Reisern manch¬ mal vom Kopf bis zu Fuß, und schien sich über¬ haupt sonderbare Vorstellungen von ihm zu ma¬ chen. -- Er hielt ihn für einen Menschen, der viel mehr verschwieg, als er sagte, und mit dem er nicht recht wußte, wie er dran war. -- Demohngeachtet konnte er nicht unterlassen, immer noch Fragen an ihn zu thun, bis Rei¬ ser endlich, da die Sonne sich schon zum Unter¬ gange neigte, von ihm Abschied nahm, und der Prediger ihm noch die Ermahnung mit auf den Weg gab, vorzüglich sein Verbrechen durch Reue zu büßen.
Durch die lange Unterhaltung mit dem Pre¬ diger und durch dessen Ermahnungen war Rei¬ sers Imagination noch mehr erhitzt. -- Er kam in der Abenddämmerung in Gotha an, und ging in einer Art von hartnäckiger Betäu¬ bung und Fühllosigkeit, dicht vor dem goldnen Kreuze vorbei, wo er logirt hatte, aus dem Thore wieder heraus, in welches er das erste¬ mal nach Gotha gekommen war, und nahm wieder den Weg auf Erfurt zu, um dann von da nach Mühlhausen zu gehen, und endlich
Dieſer Prediger betrachtete Reiſern manch¬ mal vom Kopf bis zu Fuß, und ſchien ſich uͤber¬ haupt ſonderbare Vorſtellungen von ihm zu ma¬ chen. — Er hielt ihn fuͤr einen Menſchen, der viel mehr verſchwieg, als er ſagte, und mit dem er nicht recht wußte, wie er dran war. — Demohngeachtet konnte er nicht unterlaſſen, immer noch Fragen an ihn zu thun, bis Rei¬ ſer endlich, da die Sonne ſich ſchon zum Unter¬ gange neigte, von ihm Abſchied nahm, und der Prediger ihm noch die Ermahnung mit auf den Weg gab, vorzuͤglich ſein Verbrechen durch Reue zu buͤßen.
Durch die lange Unterhaltung mit dem Pre¬ diger und durch deſſen Ermahnungen war Rei¬ ſers Imagination noch mehr erhitzt. — Er kam in der Abenddaͤmmerung in Gotha an, und ging in einer Art von hartnaͤckiger Betaͤu¬ bung und Fuͤhlloſigkeit, dicht vor dem goldnen Kreuze vorbei, wo er logirt hatte, aus dem Thore wieder heraus, in welches er das erſte¬ mal nach Gotha gekommen war, und nahm wieder den Weg auf Erfurt zu, um dann von da nach Muͤhlhauſen zu gehen, und endlich
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[88/0102]
Dieſer Prediger betrachtete Reiſern manch¬
mal vom Kopf bis zu Fuß, und ſchien ſich uͤber¬
haupt ſonderbare Vorſtellungen von ihm zu ma¬
chen. — Er hielt ihn fuͤr einen Menſchen, der
viel mehr verſchwieg, als er ſagte, und mit
dem er nicht recht wußte, wie er dran war. —
Demohngeachtet konnte er nicht unterlaſſen,
immer noch Fragen an ihn zu thun, bis Rei¬
ſer endlich, da die Sonne ſich ſchon zum Unter¬
gange neigte, von ihm Abſchied nahm, und der
Prediger ihm noch die Ermahnung mit auf
den Weg gab, vorzuͤglich ſein Verbrechen durch
Reue zu buͤßen.
Durch die lange Unterhaltung mit dem Pre¬
diger und durch deſſen Ermahnungen war Rei¬
ſers Imagination noch mehr erhitzt. — Er
kam in der Abenddaͤmmerung in Gotha an,
und ging in einer Art von hartnaͤckiger Betaͤu¬
bung und Fuͤhlloſigkeit, dicht vor dem goldnen
Kreuze vorbei, wo er logirt hatte, aus dem
Thore wieder heraus, in welches er das erſte¬
mal nach Gotha gekommen war, und nahm
wieder den Weg auf Erfurt zu, um dann
von da nach Muͤhlhauſen zu gehen, und endlich
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/102>, abgerufen am 07.07.2024.
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