Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite
Wem soll ich dieses Daseyn danken?
Wer setzt' ihm diese engen Schranken?
Aus welchem Chaos stiegs empor?
In welche gräuelvolle Nächte,
Sinkt's -- wenn des Schicksals ehrne Rechte
Mir winket zu des Todes Thor? -- --

Diß Gedicht floß gleichsam aus seiner Seele
-- Selbst der Reim und das Versmaß machte
ihm nur wenige Schwierigkeit, und er schrieb es
in weniger als einer Stunde nieder. -- Nachher
fing er bald an, Gedichte zu machen, bloß um
Gedichte zu machen, und diß gelang ihm nie so
gut. --

Aber der Frühling und Sommer des Jahres
1775 verfloß ihm nun ganz poetisch. -- Die an¬
genehmen Shakespearnächte, welche er im Win¬
ter mit Philipp Reisern zugebracht hatte, wur¬
den nun durch noch angenehmere Morgenspa¬
tziergänge verdrängt. --

Nicht weit von H. . ., wo der Fluß einen
künstlichen Wasserfall bildet, ist ein kleines Ge¬
hölz, welches man nicht leicht irgendwo ange¬
nehmer und einladender finden kann. --

Wem ſoll ich dieſes Daſeyn danken?
Wer ſetzt' ihm dieſe engen Schranken?
Aus welchem Chaos ſtiegs empor?
In welche graͤuelvolle Naͤchte,
Sinkt's — wenn des Schickſals ehrne Rechte
Mir winket zu des Todes Thor? — —

Diß Gedicht floß gleichſam aus ſeiner Seele
— Selbſt der Reim und das Versmaß machte
ihm nur wenige Schwierigkeit, und er ſchrieb es
in weniger als einer Stunde nieder. — Nachher
fing er bald an, Gedichte zu machen, bloß um
Gedichte zu machen, und diß gelang ihm nie ſo
gut. —

Aber der Fruͤhling und Sommer des Jahres
1775 verfloß ihm nun ganz poetiſch. — Die an¬
genehmen Shakeſpearnaͤchte, welche er im Win¬
ter mit Philipp Reiſern zugebracht hatte, wur¬
den nun durch noch angenehmere Morgenſpa¬
tziergaͤnge verdraͤngt. —

Nicht weit von H. . ., wo der Fluß einen
kuͤnſtlichen Waſſerfall bildet, iſt ein kleines Ge¬
hoͤlz, welches man nicht leicht irgendwo ange¬
nehmer und einladender finden kann. —

<TEI>
  <text>
    <body>
      <lg type="poem">
        <pb facs="#f0084" n="74"/>
        <lg n="3">
          <l>Wem &#x017F;oll ich die&#x017F;es Da&#x017F;eyn danken?</l><lb/>
          <l>Wer &#x017F;etzt' ihm die&#x017F;e engen Schranken?</l><lb/>
          <l>Aus welchem Chaos &#x017F;tiegs empor?</l><lb/>
          <l>In welche gra&#x0364;uelvolle Na&#x0364;chte,</l><lb/>
          <l>Sinkt's &#x2014; wenn des Schick&#x017F;als ehrne Rechte</l><lb/>
          <l>Mir winket zu des Todes Thor? &#x2014; &#x2014;</l><lb/>
        </lg>
      </lg>
      <p>Diß Gedicht floß gleich&#x017F;am aus &#x017F;einer Seele<lb/>
&#x2014; Selb&#x017F;t der Reim und das Versmaß machte<lb/>
ihm nur wenige Schwierigkeit, und er &#x017F;chrieb es<lb/>
in weniger als einer Stunde nieder. &#x2014; Nachher<lb/>
fing er bald an, Gedichte zu machen, bloß um<lb/>
Gedichte zu machen, und diß gelang ihm nie &#x017F;o<lb/>
gut. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Aber der Fru&#x0364;hling und Sommer des Jahres<lb/>
1775 verfloß ihm nun ganz poeti&#x017F;ch. &#x2014; Die an¬<lb/>
genehmen Shake&#x017F;pearna&#x0364;chte, welche er im Win¬<lb/>
ter mit Philipp Rei&#x017F;ern zugebracht hatte, wur¬<lb/>
den nun durch noch angenehmere Morgen&#x017F;pa¬<lb/>
tzierga&#x0364;nge verdra&#x0364;ngt. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Nicht weit von H. . ., wo der Fluß einen<lb/>
ku&#x0364;n&#x017F;tlichen Wa&#x017F;&#x017F;erfall bildet, i&#x017F;t ein kleines Ge¬<lb/>
ho&#x0364;lz, welches man nicht leicht irgendwo ange¬<lb/>
nehmer und einladender finden kann. &#x2014;</p><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0084] Wem ſoll ich dieſes Daſeyn danken? Wer ſetzt' ihm dieſe engen Schranken? Aus welchem Chaos ſtiegs empor? In welche graͤuelvolle Naͤchte, Sinkt's — wenn des Schickſals ehrne Rechte Mir winket zu des Todes Thor? — — Diß Gedicht floß gleichſam aus ſeiner Seele — Selbſt der Reim und das Versmaß machte ihm nur wenige Schwierigkeit, und er ſchrieb es in weniger als einer Stunde nieder. — Nachher fing er bald an, Gedichte zu machen, bloß um Gedichte zu machen, und diß gelang ihm nie ſo gut. — Aber der Fruͤhling und Sommer des Jahres 1775 verfloß ihm nun ganz poetiſch. — Die an¬ genehmen Shakeſpearnaͤchte, welche er im Win¬ ter mit Philipp Reiſern zugebracht hatte, wur¬ den nun durch noch angenehmere Morgenſpa¬ tziergaͤnge verdraͤngt. — Nicht weit von H. . ., wo der Fluß einen kuͤnſtlichen Waſſerfall bildet, iſt ein kleines Ge¬ hoͤlz, welches man nicht leicht irgendwo ange¬ nehmer und einladender finden kann. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/84
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/84>, abgerufen am 21.11.2024.