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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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Wonne des einsamen Studirens. Er liehe sich
seit einiger Zeit wieder Bücher vom Antiqua¬
rius; aber sein Geschmack fiel nun auf lauter
wissenschaftliche Bücher. -- Seine Romanen
und Komödienlektüre hatten seit jener schreckli¬
chen Epoche seines Lebens gänzlich aufgehört. --

Sobald die Luft nun anfing, warm zu wer¬
den, eilte er auf seinen Boden, und brachte da
die vergnügtesten Stunden seines Lebens mit
Lesen und Studiren zu. --

Er hatte sich von dem Bücherantiquarius un¬
ter andern Gottscheds Philosophie geliehen,
und so sehr auch in diesem Buche die Materien
durchwässert sind, so gab doch diß seiner Denk¬
kraft gleichsam den ersten Stoß -- er bekam da¬
durch wenigstens eine leichte Uebersicht aller phi¬
losophischen Wissenschaften, wodurch sich die
Ideen in seinem Kopfe aufräumten. --

Sobald er diß merkte, nahm auch sein Eifer,
die Sache bald zu übersehen, mit jedem Tage
zu. -- Er sah, daß das bloße Lesen nichts half --
er fing also an, sich auf kleinen Blättchen schrift¬
liche Tabellen zu entwerfen, wo er das Detail
immer dem Ganzen gehörig unterordnete, und

Wonne des einſamen Studirens. Er liehe ſich
ſeit einiger Zeit wieder Buͤcher vom Antiqua¬
rius; aber ſein Geſchmack fiel nun auf lauter
wiſſenſchaftliche Buͤcher. — Seine Romanen
und Komoͤdienlektuͤre hatten ſeit jener ſchreckli¬
chen Epoche ſeines Lebens gaͤnzlich aufgehoͤrt. —

Sobald die Luft nun anfing, warm zu wer¬
den, eilte er auf ſeinen Boden, und brachte da
die vergnuͤgteſten Stunden ſeines Lebens mit
Leſen und Studiren zu. —

Er hatte ſich von dem Buͤcherantiquarius un¬
ter andern Gottſcheds Philoſophie geliehen,
und ſo ſehr auch in dieſem Buche die Materien
durchwaͤſſert ſind, ſo gab doch diß ſeiner Denk¬
kraft gleichſam den erſten Stoß — er bekam da¬
durch wenigſtens eine leichte Ueberſicht aller phi¬
loſophiſchen Wiſſenſchaften, wodurch ſich die
Ideen in ſeinem Kopfe aufraͤumten. —

Sobald er diß merkte, nahm auch ſein Eifer,
die Sache bald zu uͤberſehen, mit jedem Tage
zu. — Er ſah, daß das bloße Leſen nichts half —
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liche Tabellen zu entwerfen, wo er das Detail
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[24/0034] Wonne des einſamen Studirens. Er liehe ſich ſeit einiger Zeit wieder Buͤcher vom Antiqua¬ rius; aber ſein Geſchmack fiel nun auf lauter wiſſenſchaftliche Buͤcher. — Seine Romanen und Komoͤdienlektuͤre hatten ſeit jener ſchreckli¬ chen Epoche ſeines Lebens gaͤnzlich aufgehoͤrt. — Sobald die Luft nun anfing, warm zu wer¬ den, eilte er auf ſeinen Boden, und brachte da die vergnuͤgteſten Stunden ſeines Lebens mit Leſen und Studiren zu. — Er hatte ſich von dem Buͤcherantiquarius un¬ ter andern Gottſcheds Philoſophie geliehen, und ſo ſehr auch in dieſem Buche die Materien durchwaͤſſert ſind, ſo gab doch diß ſeiner Denk¬ kraft gleichſam den erſten Stoß — er bekam da¬ durch wenigſtens eine leichte Ueberſicht aller phi¬ loſophiſchen Wiſſenſchaften, wodurch ſich die Ideen in ſeinem Kopfe aufraͤumten. — Sobald er diß merkte, nahm auch ſein Eifer, die Sache bald zu uͤberſehen, mit jedem Tage zu. — Er ſah, daß das bloße Leſen nichts half — er fing alſo an, ſich auf kleinen Blaͤttchen ſchrift¬ liche Tabellen zu entwerfen, wo er das Detail immer dem Ganzen gehoͤrig unterordnete, und

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/34>, abgerufen am 29.03.2024.