Fackeln und Musik beizuwohnen, und dort öf¬ fentlich mit in Reihe und Gliede zu gehn. --
Was ihn aber am meisten schmerzte, war doch im Grunde das letzte -- und diß war sehr natürlich; denn durch seine Theilnehmung an dem Aufzuge fühlte er sich gleichsam in alle Rechte seines Standes, die ihm so sehr verleidet waren, wieder eingesetzt -- davon ausgeschlossen zu bleiben, däuchte ihm eine der größten Wider¬ wärtigkeiten, die ihm nur begegnen konnte. -- Das war auch die Ursach, weswegen er den Kon¬ rektor um Erlassung der Hälfte von dem Chor¬ gelde so flehentlich gebeten hatte, welches zu thun er sich sonst nie würde erniedrigt haben.
Alle sein Sinnen und Denken, Geld zu be¬ kommen, half nichts; er konnte sich keine Fackel kaufen, und mußte den folgenden Abend, wäh¬ rend daß alle seine Mitschüler, im glänzenden Pomp, unter einer Menge von Zuschauern, über die Straße zogen, traurig an seinem Klavier zu Hause sitzen -- er suchte sich zu trösten, so gut er konnte; aber da er von fern die Musik hörte, so that diß eine sonderbare Wirkung auf sein Ge¬ müth -- er dachte sich lebhaft den Glanz der
Fackeln und Muſik beizuwohnen, und dort oͤf¬ fentlich mit in Reihe und Gliede zu gehn. —
Was ihn aber am meiſten ſchmerzte, war doch im Grunde das letzte — und diß war ſehr natuͤrlich; denn durch ſeine Theilnehmung an dem Aufzuge fuͤhlte er ſich gleichſam in alle Rechte ſeines Standes, die ihm ſo ſehr verleidet waren, wieder eingeſetzt — davon ausgeſchloſſen zu bleiben, daͤuchte ihm eine der groͤßten Wider¬ waͤrtigkeiten, die ihm nur begegnen konnte. — Das war auch die Urſach, weswegen er den Kon¬ rektor um Erlaſſung der Haͤlfte von dem Chor¬ gelde ſo flehentlich gebeten hatte, welches zu thun er ſich ſonſt nie wuͤrde erniedrigt haben.
Alle ſein Sinnen und Denken, Geld zu be¬ kommen, half nichts; er konnte ſich keine Fackel kaufen, und mußte den folgenden Abend, waͤh¬ rend daß alle ſeine Mitſchuͤler, im glaͤnzenden Pomp, unter einer Menge von Zuſchauern, uͤber die Straße zogen, traurig an ſeinem Klavier zu Hauſe ſitzen — er ſuchte ſich zu troͤſten, ſo gut er konnte; aber da er von fern die Muſik hoͤrte, ſo that diß eine ſonderbare Wirkung auf ſein Ge¬ muͤth — er dachte ſich lebhaft den Glanz der
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Fackeln und Muſik beizuwohnen, und dort oͤf¬
fentlich mit in Reihe und Gliede zu gehn. —
Was ihn aber am meiſten ſchmerzte, war
doch im Grunde das letzte — und diß war ſehr
natuͤrlich; denn durch ſeine Theilnehmung an
dem Aufzuge fuͤhlte er ſich gleichſam in alle
Rechte ſeines Standes, die ihm ſo ſehr verleidet
waren, wieder eingeſetzt — davon ausgeſchloſſen
zu bleiben, daͤuchte ihm eine der groͤßten Wider¬
waͤrtigkeiten, die ihm nur begegnen konnte. —
Das war auch die Urſach, weswegen er den Kon¬
rektor um Erlaſſung der Haͤlfte von dem Chor¬
gelde ſo flehentlich gebeten hatte, welches zu
thun er ſich ſonſt nie wuͤrde erniedrigt haben.
Alle ſein Sinnen und Denken, Geld zu be¬
kommen, half nichts; er konnte ſich keine Fackel
kaufen, und mußte den folgenden Abend, waͤh¬
rend daß alle ſeine Mitſchuͤler, im glaͤnzenden
Pomp, unter einer Menge von Zuſchauern, uͤber
die Straße zogen, traurig an ſeinem Klavier zu
Hauſe ſitzen — er ſuchte ſich zu troͤſten, ſo gut
er konnte; aber da er von fern die Muſik hoͤrte,
ſo that diß eine ſonderbare Wirkung auf ſein Ge¬
muͤth — er dachte ſich lebhaft den Glanz der
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/32>, abgerufen am 22.07.2024.
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