Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

zuschließen gesucht hatte. -- Allein die Verschie¬
denheit ihrer Glücksumstände hatte dieses Anein¬
anderschließen damals gehindert. --

Da nun aber Reiser angefangen hatte, sich
auszuzeichnen, so fing J. . . von selber an, sich
an ihn zu schließen-- und sie unterredeten sich oft
bei ihren einsamen Spaziergängen über ihre
künftige Bestimmung in der Welt. -- J. . . lebte
auch ganz in der Phantasienwelt, und hatte sich
damals gerade ein sehr reitzendes Bild von der
angenehmen Lage eines Landpredigers entwor¬
fen -- er war also entschlossen, Theologie zu stu¬
dieren, und unterhielt Reisern fast beständig mit
der Schilderung jener stillen, häußlichen Glück¬
seligkeit, die er dann im Schooß einer kleinen
Gemeinde, die ihn liebte, in seinem Dörfchen
genießen würde. -- Reiser, welcher dergleichen
Spiele der Phantasie aus eigner Erfahrung
kannte, prophezeite ihm in Voraus, daß er die¬
sen Entschluß zu seinem eignen Besten wohl nie
in Erfüllung bringen würde: dem wenn er Pre¬
diger würde, so würde er wahrscheinlich ein
großer Heuchler werden -- er würde mit der
größten Hitze des Affekts und mit aller Stärke der

zuſchließen geſucht hatte. — Allein die Verſchie¬
denheit ihrer Gluͤcksumſtaͤnde hatte dieſes Anein¬
anderſchließen damals gehindert. —

Da nun aber Reiſer angefangen hatte, ſich
auszuzeichnen, ſo fing J. . . von ſelber an, ſich
an ihn zu ſchließen— und ſie unterredeten ſich oft
bei ihren einſamen Spaziergaͤngen uͤber ihre
kuͤnftige Beſtimmung in der Welt. — J. . . lebte
auch ganz in der Phantaſienwelt, und hatte ſich
damals gerade ein ſehr reitzendes Bild von der
angenehmen Lage eines Landpredigers entwor¬
fen — er war alſo entſchloſſen, Theologie zu ſtu¬
dieren, und unterhielt Reiſern faſt beſtaͤndig mit
der Schilderung jener ſtillen, haͤußlichen Gluͤck¬
ſeligkeit, die er dann im Schooß einer kleinen
Gemeinde, die ihn liebte, in ſeinem Doͤrfchen
genießen wuͤrde. — Reiſer, welcher dergleichen
Spiele der Phantaſie aus eigner Erfahrung
kannte, prophezeite ihm in Voraus, daß er die¬
ſen Entſchluß zu ſeinem eignen Beſten wohl nie
in Erfuͤllung bringen wuͤrde: dem wenn er Pre¬
diger wuͤrde, ſo wuͤrde er wahrſcheinlich ein
großer Heuchler werden — er wuͤrde mit der
groͤßten Hitze des Affekts und mit aller Staͤrke der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0196" n="186"/>
zu&#x017F;chließen ge&#x017F;ucht hatte. &#x2014; Allein die Ver&#x017F;chie¬<lb/>
denheit ihrer Glu&#x0364;cksum&#x017F;ta&#x0364;nde hatte die&#x017F;es Anein¬<lb/>
ander&#x017F;chließen damals gehindert. &#x2014;</p><lb/>
      <p>Da nun aber Rei&#x017F;er angefangen hatte, &#x017F;ich<lb/>
auszuzeichnen, &#x017F;o fing J. . . von &#x017F;elber an, &#x017F;ich<lb/>
an ihn zu &#x017F;chließen&#x2014; und &#x017F;ie unterredeten &#x017F;ich oft<lb/>
bei ihren ein&#x017F;amen Spazierga&#x0364;ngen u&#x0364;ber ihre<lb/>
ku&#x0364;nftige Be&#x017F;timmung in der Welt. &#x2014; J. . . lebte<lb/>
auch ganz in der Phanta&#x017F;ienwelt, und hatte &#x017F;ich<lb/>
damals gerade ein &#x017F;ehr reitzendes Bild von der<lb/>
angenehmen Lage eines Landpredigers entwor¬<lb/>
fen &#x2014; er war al&#x017F;o ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, Theologie zu &#x017F;tu¬<lb/>
dieren, und unterhielt Rei&#x017F;ern fa&#x017F;t be&#x017F;ta&#x0364;ndig mit<lb/>
der Schilderung jener &#x017F;tillen, ha&#x0364;ußlichen Glu&#x0364;ck¬<lb/>
&#x017F;eligkeit, die er dann im Schooß einer kleinen<lb/>
Gemeinde, die ihn liebte, in &#x017F;einem Do&#x0364;rfchen<lb/>
genießen wu&#x0364;rde. &#x2014; Rei&#x017F;er, welcher dergleichen<lb/>
Spiele der Phanta&#x017F;ie aus eigner Erfahrung<lb/>
kannte, prophezeite ihm in Voraus, daß er die¬<lb/>
&#x017F;en Ent&#x017F;chluß zu &#x017F;einem eignen Be&#x017F;ten wohl nie<lb/>
in Erfu&#x0364;llung bringen wu&#x0364;rde: dem wenn er Pre¬<lb/>
diger wu&#x0364;rde, &#x017F;o wu&#x0364;rde er wahr&#x017F;cheinlich ein<lb/><hi rendition="#fr">großer Heuchler</hi> werden &#x2014; er wu&#x0364;rde mit der<lb/>
gro&#x0364;ßten Hitze des Affekts und mit aller Sta&#x0364;rke der<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0196] zuſchließen geſucht hatte. — Allein die Verſchie¬ denheit ihrer Gluͤcksumſtaͤnde hatte dieſes Anein¬ anderſchließen damals gehindert. — Da nun aber Reiſer angefangen hatte, ſich auszuzeichnen, ſo fing J. . . von ſelber an, ſich an ihn zu ſchließen— und ſie unterredeten ſich oft bei ihren einſamen Spaziergaͤngen uͤber ihre kuͤnftige Beſtimmung in der Welt. — J. . . lebte auch ganz in der Phantaſienwelt, und hatte ſich damals gerade ein ſehr reitzendes Bild von der angenehmen Lage eines Landpredigers entwor¬ fen — er war alſo entſchloſſen, Theologie zu ſtu¬ dieren, und unterhielt Reiſern faſt beſtaͤndig mit der Schilderung jener ſtillen, haͤußlichen Gluͤck¬ ſeligkeit, die er dann im Schooß einer kleinen Gemeinde, die ihn liebte, in ſeinem Doͤrfchen genießen wuͤrde. — Reiſer, welcher dergleichen Spiele der Phantaſie aus eigner Erfahrung kannte, prophezeite ihm in Voraus, daß er die¬ ſen Entſchluß zu ſeinem eignen Beſten wohl nie in Erfuͤllung bringen wuͤrde: dem wenn er Pre¬ diger wuͤrde, ſo wuͤrde er wahrſcheinlich ein großer Heuchler werden — er wuͤrde mit der groͤßten Hitze des Affekts und mit aller Staͤrke der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/196
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/196>, abgerufen am 21.11.2024.