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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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Sinn. -- Die Theilnehmung an den Leiden der
Liebe kostete ihm einigen Zwang -- er mußte
sich mit Gewalt in diese Situation zu versetzen
suchen, wenn sie ihn rühren sollte, -- denn
ein Mensch der liebte und geliebt ward, schien
ihm ein fremdes ganz von ihm verschiedenes We¬
sen zu seyn, weil es ihm unmöglich fiel, sich selbst
jemals, als einen Gegenstand der Liebe von einem
Frauenzimmer zu denken. -- Wenn Werther
von seiner Liebe sprach, so war ihm nicht viel
anders dabei, als wenn ihn Philipp Reiser von
den allmäligen Fortschritten, die er in der Gunst
seines Mädchens gethan hatte, oft Stundenlang
unterhielt. --

Aber die allgemeinen Betrachtungen über Le¬
ben und Daseyn, über das Gaukelspiel mensch¬
licher Bestrebungen, über das zwecklose Gewühl
auf Erden; die dem Papier lebendig eingehauchten
ächten Schilderungen einzelner Naturßenen, und
die Gedanken über Menschenschicksal und Men¬
schenbestimmung waren es, welche vorzüglich
Reisers Herz anzogen. --

Die Stelle, wo Werther das Leben mit ei¬
nem Marionettenspiel vergleicht, wo die Puppen

Sinn. — Die Theilnehmung an den Leiden der
Liebe koſtete ihm einigen Zwang — er mußte
ſich mit Gewalt in dieſe Situation zu verſetzen
ſuchen, wenn ſie ihn ruͤhren ſollte, — denn
ein Menſch der liebte und geliebt ward, ſchien
ihm ein fremdes ganz von ihm verſchiedenes We¬
ſen zu ſeyn, weil es ihm unmoͤglich fiel, ſich ſelbſt
jemals, als einen Gegenſtand der Liebe von einem
Frauenzimmer zu denken. — Wenn Werther
von ſeiner Liebe ſprach, ſo war ihm nicht viel
anders dabei, als wenn ihn Philipp Reiſer von
den allmaͤligen Fortſchritten, die er in der Gunſt
ſeines Maͤdchens gethan hatte, oft Stundenlang
unterhielt. —

Aber die allgemeinen Betrachtungen uͤber Le¬
ben und Daſeyn, uͤber das Gaukelſpiel menſch¬
licher Beſtrebungen, uͤber das zweckloſe Gewuͤhl
auf Erden; die dem Papier lebendig eingehauchten
aͤchten Schilderungen einzelner Naturſzenen, und
die Gedanken uͤber Menſchenſchickſal und Men¬
ſchenbeſtimmung waren es, welche vorzuͤglich
Reiſers Herz anzogen. —

Die Stelle, wo Werther das Leben mit ei¬
nem Marionettenſpiel vergleicht, wo die Puppen

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[94/0104] Sinn. — Die Theilnehmung an den Leiden der Liebe koſtete ihm einigen Zwang — er mußte ſich mit Gewalt in dieſe Situation zu verſetzen ſuchen, wenn ſie ihn ruͤhren ſollte, — denn ein Menſch der liebte und geliebt ward, ſchien ihm ein fremdes ganz von ihm verſchiedenes We¬ ſen zu ſeyn, weil es ihm unmoͤglich fiel, ſich ſelbſt jemals, als einen Gegenſtand der Liebe von einem Frauenzimmer zu denken. — Wenn Werther von ſeiner Liebe ſprach, ſo war ihm nicht viel anders dabei, als wenn ihn Philipp Reiſer von den allmaͤligen Fortſchritten, die er in der Gunſt ſeines Maͤdchens gethan hatte, oft Stundenlang unterhielt. — Aber die allgemeinen Betrachtungen uͤber Le¬ ben und Daſeyn, uͤber das Gaukelſpiel menſch¬ licher Beſtrebungen, uͤber das zweckloſe Gewuͤhl auf Erden; die dem Papier lebendig eingehauchten aͤchten Schilderungen einzelner Naturſzenen, und die Gedanken uͤber Menſchenſchickſal und Men¬ ſchenbeſtimmung waren es, welche vorzuͤglich Reiſers Herz anzogen. — Die Stelle, wo Werther das Leben mit ei¬ nem Marionettenſpiel vergleicht, wo die Puppen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/104>, abgerufen am 24.11.2024.