für Reisern wieder ein großer Fund war -- durch eine solche öffentliche und laute Vorlesung eines Psalms, hielt er sich wieder für alle Beschwer¬ lichkeiten des Chorsingens belohnt. -- Er dünkte sich nun schon wie der Pastor P. . . in B. . . da¬ zustehen, und mit erschütternder Stimme zu dem versammleten Volke zu reden.
Uebrigens aber wurde das Chorsingen für ihn bald die unangenehmste Sache von der Welt. Es raubte ihm alle Erhohlungsstunden, die ihm noch übrig waren, und machte, daß er nun keinem ein¬ zigen ruhigen Tage in der Woche entgegen sehen konnte. Wie verschwanden die goldnen Träume, die er sich davon gemacht hatte! -- und wie gern hätte er sich nun aus dieser Sklaverei wieder loßgekauft, wenn es noch möglich gewesen wäre. -- Aber nun war das Chorgeld einmal zu seinen gewöhnlichen Einkünften mit gerechnet, und er durfte gar nicht einmal daran denken, je wieder davon loß zu kommen.
Den Gefährten seiner Sklaverei ging es grö߬ teutheis nicht besser, wie ihm, sie waren dieses Lebens eben so überdrüssig. -- Und das Leben
fuͤr Reiſern wieder ein großer Fund war — durch eine ſolche oͤffentliche und laute Vorleſung eines Pſalms, hielt er ſich wieder fuͤr alle Beſchwer¬ lichkeiten des Chorſingens belohnt. — Er duͤnkte ſich nun ſchon wie der Paſtor P. . . in B. . . da¬ zuſtehen, und mit erſchuͤtternder Stimme zu dem verſammleten Volke zu reden.
Uebrigens aber wurde das Chorſingen fuͤr ihn bald die unangenehmſte Sache von der Welt. Es raubte ihm alle Erhohlungsſtunden, die ihm noch uͤbrig waren, und machte, daß er nun keinem ein¬ zigen ruhigen Tage in der Woche entgegen ſehen konnte. Wie verſchwanden die goldnen Traͤume, die er ſich davon gemacht hatte! — und wie gern haͤtte er ſich nun aus dieſer Sklaverei wieder loßgekauft, wenn es noch moͤglich geweſen waͤre. — Aber nun war das Chorgeld einmal zu ſeinen gewoͤhnlichen Einkuͤnften mit gerechnet, und er durfte gar nicht einmal daran denken, je wieder davon loß zu kommen.
Den Gefaͤhrten ſeiner Sklaverei ging es groͤ߬ teutheis nicht beſſer, wie ihm, ſie waren dieſes Lebens eben ſo uͤberdruͤſſig. — Und das Leben
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0098"n="88"/>
fuͤr Reiſern wieder ein großer Fund war — durch<lb/>
eine ſolche oͤffentliche und laute Vorleſung eines<lb/>
Pſalms, hielt er ſich wieder fuͤr alle Beſchwer¬<lb/>
lichkeiten des Chorſingens belohnt. — Er duͤnkte<lb/>ſich nun ſchon wie der Paſtor P. . . in B. . . da¬<lb/>
zuſtehen, und mit erſchuͤtternder Stimme zu dem<lb/>
verſammleten Volke zu reden.</p><lb/><p>Uebrigens aber wurde das Chorſingen fuͤr ihn<lb/>
bald die unangenehmſte Sache von der Welt. Es<lb/>
raubte ihm alle Erhohlungsſtunden, die ihm noch<lb/>
uͤbrig waren, und machte, daß er nun keinem ein¬<lb/>
zigen ruhigen Tage in der Woche entgegen ſehen<lb/>
konnte. Wie verſchwanden die goldnen Traͤume, die<lb/>
er ſich davon gemacht hatte! — und wie gern<lb/>
haͤtte er ſich nun aus dieſer Sklaverei wieder<lb/>
loßgekauft, wenn es noch moͤglich geweſen waͤre.<lb/>— Aber nun war das Chorgeld einmal zu ſeinen<lb/>
gewoͤhnlichen Einkuͤnften mit gerechnet, und er<lb/>
durfte gar nicht einmal daran denken, je wieder<lb/>
davon loß zu kommen.</p><lb/><p>Den Gefaͤhrten ſeiner Sklaverei ging es groͤ߬<lb/>
teutheis nicht beſſer, wie ihm, ſie waren dieſes<lb/>
Lebens eben ſo uͤberdruͤſſig. — Und das Leben<lb/></p></body></text></TEI>
[88/0098]
fuͤr Reiſern wieder ein großer Fund war — durch
eine ſolche oͤffentliche und laute Vorleſung eines
Pſalms, hielt er ſich wieder fuͤr alle Beſchwer¬
lichkeiten des Chorſingens belohnt. — Er duͤnkte
ſich nun ſchon wie der Paſtor P. . . in B. . . da¬
zuſtehen, und mit erſchuͤtternder Stimme zu dem
verſammleten Volke zu reden.
Uebrigens aber wurde das Chorſingen fuͤr ihn
bald die unangenehmſte Sache von der Welt. Es
raubte ihm alle Erhohlungsſtunden, die ihm noch
uͤbrig waren, und machte, daß er nun keinem ein¬
zigen ruhigen Tage in der Woche entgegen ſehen
konnte. Wie verſchwanden die goldnen Traͤume, die
er ſich davon gemacht hatte! — und wie gern
haͤtte er ſich nun aus dieſer Sklaverei wieder
loßgekauft, wenn es noch moͤglich geweſen waͤre.
— Aber nun war das Chorgeld einmal zu ſeinen
gewoͤhnlichen Einkuͤnften mit gerechnet, und er
durfte gar nicht einmal daran denken, je wieder
davon loß zu kommen.
Den Gefaͤhrten ſeiner Sklaverei ging es groͤ߬
teutheis nicht beſſer, wie ihm, ſie waren dieſes
Lebens eben ſo uͤberdruͤſſig. — Und das Leben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/98>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.