keinen bessern Führer und Rathgeber fand. -- Indes hatte er doch nun den ersten eigentlichen Freund seiner Jugend gefunden, dessen Umgang und Gespräche ihm die Stunden, die er im Cho¬ re zubringen mußte, noch einigermaßen erträg¬ lich machten.
Denn nun war das schöne Wetter vorbei, und es stellten sich Regen, Schnee und Kälte ein -- demohngeachtet mußte das Chor seine ge¬ wissen Stunden auf der Straße singen. -- O wie zählte Reiser jetzt da er vom Frost erstarrtt war, die Minuten, ehe das lästige Singen vor¬ bei war, das ihm sonst eine himmlische Musik in seinen Ohren dünkte.
Den ganzen Mittwoch und Sonnabend¬ nachmittag, und den ganzen Sontag nahm nun allein das Chorsingen weg -- denn alle Son¬ tagmorgen mußten die Chorschüler in der Kirche seyn, um vom Chore herunter das Amen zu sin¬ gen. -- Auch des Sonnabendsnachmittags bei der Vorbereitung zum Abendmahle, mußten die jüngern Chorschüler mit dem Kantor ein Lied sin¬ gen, und einer von ihnen einen Psalm, oben von dem hohen Chore herunter lesen, welches nun
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keinen beſſern Fuͤhrer und Rathgeber fand. — Indes hatte er doch nun den erſten eigentlichen Freund ſeiner Jugend gefunden, deſſen Umgang und Geſpraͤche ihm die Stunden, die er im Cho¬ re zubringen mußte, noch einigermaßen ertraͤg¬ lich machten.
Denn nun war das ſchoͤne Wetter vorbei, und es ſtellten ſich Regen, Schnee und Kaͤlte ein — demohngeachtet mußte das Chor ſeine ge¬ wiſſen Stunden auf der Straße ſingen. — O wie zaͤhlte Reiſer jetzt da er vom Froſt erſtarrtt war, die Minuten, ehe das laͤſtige Singen vor¬ bei war, das ihm ſonſt eine himmliſche Muſik in ſeinen Ohren duͤnkte.
Den ganzen Mittwoch und Sonnabend¬ nachmittag, und den ganzen Sontag nahm nun allein das Chorſingen weg — denn alle Son¬ tagmorgen mußten die Chorſchuͤler in der Kirche ſeyn, um vom Chore herunter das Amen zu ſin¬ gen. — Auch des Sonnabendsnachmittags bei der Vorbereitung zum Abendmahle, mußten die juͤngern Chorſchuͤler mit dem Kantor ein Lied ſin¬ gen, und einer von ihnen einen Pſalm, oben von dem hohen Chore herunter leſen, welches nun
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keinen beſſern Fuͤhrer und Rathgeber fand. —
Indes hatte er doch nun den erſten eigentlichen
Freund ſeiner Jugend gefunden, deſſen Umgang
und Geſpraͤche ihm die Stunden, die er im Cho¬
re zubringen mußte, noch einigermaßen ertraͤg¬
lich machten.
Denn nun war das ſchoͤne Wetter vorbei,
und es ſtellten ſich Regen, Schnee und Kaͤlte
ein — demohngeachtet mußte das Chor ſeine ge¬
wiſſen Stunden auf der Straße ſingen. — O
wie zaͤhlte Reiſer jetzt da er vom Froſt erſtarrtt
war, die Minuten, ehe das laͤſtige Singen vor¬
bei war, das ihm ſonſt eine himmliſche Muſik
in ſeinen Ohren duͤnkte.
Den ganzen Mittwoch und Sonnabend¬
nachmittag, und den ganzen Sontag nahm nun
allein das Chorſingen weg — denn alle Son¬
tagmorgen mußten die Chorſchuͤler in der Kirche
ſeyn, um vom Chore herunter das Amen zu ſin¬
gen. — Auch des Sonnabendsnachmittags bei
der Vorbereitung zum Abendmahle, mußten die
juͤngern Chorſchuͤler mit dem Kantor ein Lied ſin¬
gen, und einer von ihnen einen Pſalm, oben von
dem hohen Chore herunter leſen, welches nun
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/97>, abgerufen am 16.07.2024.
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