der zärtlichen Bewillkommung ihrer Eltern ent¬ gegen sahn, gieng Reiser einsam und verlassen auf der Straße umher, wo ihn der Direktor des Lyceums begegnete, der ihn anredete, und fragte, ob er nicht Reiserus hieße? -- und als Reiser mit Ja antwortete, ihm freundlich die Hand druckte; und sagte, er habe schon durch den Pa¬ stor M... viel Gutes von ihm gehört, und wür¬ de bald näher mit ihm bekannt werden.
Welche unerwartete Aufmunterung für ihn, daß dieser Mann, den er schon oft mit tiefer Ehr¬ furcht betrachtet hatte, ihn auf der Straße an¬ zureden würdigte, und ihn Reiserus nannte.
Der Direktor B. . . war wirklich ein Mann, welcher einem jeden der ihn sahe, Ehrfurcht und Liebe einzuflößen im Stande war. Er kleidete sich zierlich, und doch anständig, trug sich edel, war wohlgebildet, hatte die heiterste Miene, wor¬ inn ihm so oft er wollte, der strengste Ernst zu Gebote stand. Er war ein Schulmann, gerade wie er seyn sollte, um von diesem Stande die Verachtung der feinen Welt, womit die gewöhn¬ liche Pedanterie desselben belegt ist, abzuwälzen.
der zaͤrtlichen Bewillkommung ihrer Eltern ent¬ gegen ſahn, gieng Reiſer einſam und verlaſſen auf der Straße umher, wo ihn der Direktor des Lyceums begegnete, der ihn anredete, und fragte, ob er nicht Reiſerus hieße? — und als Reiſer mit Ja antwortete, ihm freundlich die Hand druckte; und ſagte, er habe ſchon durch den Pa¬ ſtor M... viel Gutes von ihm gehoͤrt, und wuͤr¬ de bald naͤher mit ihm bekannt werden.
Welche unerwartete Aufmunterung fuͤr ihn, daß dieſer Mann, den er ſchon oft mit tiefer Ehr¬ furcht betrachtet hatte, ihn auf der Straße an¬ zureden wuͤrdigte, und ihn Reiſerus nannte.
Der Direktor B. . . war wirklich ein Mann, welcher einem jeden der ihn ſahe, Ehrfurcht und Liebe einzufloͤßen im Stande war. Er kleidete ſich zierlich, und doch anſtaͤndig, trug ſich edel, war wohlgebildet, hatte die heiterſte Miene, wor¬ inn ihm ſo oft er wollte, der ſtrengſte Ernſt zu Gebote ſtand. Er war ein Schulmann, gerade wie er ſeyn ſollte, um von dieſem Stande die Verachtung der feinen Welt, womit die gewoͤhn¬ liche Pedanterie deſſelben belegt iſt, abzuwaͤlzen.
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der zaͤrtlichen Bewillkommung ihrer Eltern ent¬
gegen ſahn, gieng Reiſer einſam und verlaſſen
auf der Straße umher, wo ihn der Direktor des
Lyceums begegnete, der ihn anredete, und fragte,
ob er nicht Reiſerus hieße? — und als Reiſer
mit Ja antwortete, ihm freundlich die Hand
druckte; und ſagte, er habe ſchon durch den Pa¬
ſtor M... viel Gutes von ihm gehoͤrt, und wuͤr¬
de bald naͤher mit ihm bekannt werden.
Welche unerwartete Aufmunterung fuͤr ihn,
daß dieſer Mann, den er ſchon oft mit tiefer Ehr¬
furcht betrachtet hatte, ihn auf der Straße an¬
zureden wuͤrdigte, und ihn Reiſerus nannte.
Der Direktor B. . . war wirklich ein Mann,
welcher einem jeden der ihn ſahe, Ehrfurcht und
Liebe einzufloͤßen im Stande war. Er kleidete
ſich zierlich, und doch anſtaͤndig, trug ſich edel,
war wohlgebildet, hatte die heiterſte Miene, wor¬
inn ihm ſo oft er wollte, der ſtrengſte Ernſt zu
Gebote ſtand. Er war ein Schulmann, gerade
wie er ſeyn ſollte, um von dieſem Stande die
Verachtung der feinen Welt, womit die gewoͤhn¬
liche Pedanterie deſſelben belegt iſt, abzuwaͤlzen.
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/40>, abgerufen am 16.02.2025.
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