Aufmerksamkeit bei seinen Antworten vorzüglich auf sich ziehen würde, durch Stimme, Bewe¬ gung und Miene. -- Der Tag erschien, und Reiser erwachte wie ein römischer Feldherr er¬ wacht seyn mag, dem an dem Tage ein Tri¬ umph bevorstand. -- Er wurde bei seinem Vet¬ ter den Peruckenmacher hoch frisirt, und trug einen bläulichen Rock und schwarze Unterkleider, eine Tracht, die der geistlichen gewissermaaßen sich schon am meisten näherte.
Aber so wie der Triumph des größten Feld¬ herrn zuweilen durch unerwartete Demüthigun¬ gen verbittert wurde, daß er ihn nur halb genies¬ sen konnte; so gieng es auch Reisern an diesem Tage seines Ruhms und seines Glanzes. -- Sei¬ ne Freitische nahmen mit diesem Tage ihren An¬ fang -- er hatte den ersten des Mittags bei dem Garnisonküster, und den andern des Abends bei dem armen Schuster -- und obgleich der Garni¬ sonküster ein Mann war, der das großmuthigste Herz besaß, und Reisern seinen Lebenslauf er¬ zählte, wie er auch erst als ein armer Schüler ins Chor gegangen sey, aber schon in seinem sieb¬ zehnten Jahre den blauen Mantel mit dem schwar¬
Aufmerkſamkeit bei ſeinen Antworten vorzuͤglich auf ſich ziehen wuͤrde, durch Stimme, Bewe¬ gung und Miene. — Der Tag erſchien, und Reiſer erwachte wie ein roͤmiſcher Feldherr er¬ wacht ſeyn mag, dem an dem Tage ein Tri¬ umph bevorſtand. — Er wurde bei ſeinem Vet¬ ter den Peruckenmacher hoch friſirt, und trug einen blaͤulichen Rock und ſchwarze Unterkleider, eine Tracht, die der geiſtlichen gewiſſermaaßen ſich ſchon am meiſten naͤherte.
Aber ſo wie der Triumph des groͤßten Feld¬ herrn zuweilen durch unerwartete Demuͤthigun¬ gen verbittert wurde, daß er ihn nur halb genieſ¬ ſen konnte; ſo gieng es auch Reiſern an dieſem Tage ſeines Ruhms und ſeines Glanzes. — Sei¬ ne Freitiſche nahmen mit dieſem Tage ihren An¬ fang — er hatte den erſten des Mittags bei dem Garniſonkuͤſter, und den andern des Abends bei dem armen Schuſter — und obgleich der Garni¬ ſonkuͤſter ein Mann war, der das großmuthigſte Herz beſaß, und Reiſern ſeinen Lebenslauf er¬ zaͤhlte, wie er auch erſt als ein armer Schuͤler ins Chor gegangen ſey, aber ſchon in ſeinem ſieb¬ zehnten Jahre den blauen Mantel mit dem ſchwar¬
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Aufmerkſamkeit bei ſeinen Antworten vorzuͤglich
auf ſich ziehen wuͤrde, durch Stimme, Bewe¬
gung und Miene. — Der Tag erſchien, und
Reiſer erwachte wie ein roͤmiſcher Feldherr er¬
wacht ſeyn mag, dem an dem Tage ein Tri¬
umph bevorſtand. — Er wurde bei ſeinem Vet¬
ter den Peruckenmacher hoch friſirt, und trug
einen blaͤulichen Rock und ſchwarze Unterkleider,
eine Tracht, die der geiſtlichen gewiſſermaaßen
ſich ſchon am meiſten naͤherte.
Aber ſo wie der Triumph des groͤßten Feld¬
herrn zuweilen durch unerwartete Demuͤthigun¬
gen verbittert wurde, daß er ihn nur halb genieſ¬
ſen konnte; ſo gieng es auch Reiſern an dieſem
Tage ſeines Ruhms und ſeines Glanzes. — Sei¬
ne Freitiſche nahmen mit dieſem Tage ihren An¬
fang — er hatte den erſten des Mittags bei dem
Garniſonkuͤſter, und den andern des Abends bei
dem armen Schuſter — und obgleich der Garni¬
ſonkuͤſter ein Mann war, der das großmuthigſte
Herz beſaß, und Reiſern ſeinen Lebenslauf er¬
zaͤhlte, wie er auch erſt als ein armer Schuͤler
ins Chor gegangen ſey, aber ſchon in ſeinem ſieb¬
zehnten Jahre den blauen Mantel mit dem ſchwar¬
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/37>, abgerufen am 16.02.2025.
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