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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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lichkeit umschlug, daß er es beinahe zerrissen
hätte. Durch so etwas konnte nun die Empfind¬
lichkeit des Direktors, der in allem stets die äu¬
ßerste Delikatesse suchte, gerade am stärksten be¬
leidigt worden. -- Reiser verlohr unendlich bei
ihm durch diesen Zug von anscheinenden Mangel
an feiner Empfindung und feiner Lebensart. Der
Direktor verwieß ihm auf eine sehr bittere Art
seine Ungeschicklichkeit, so daß Reisers Zutrauen
zu dem Direktor, durch die Beschämung, wor¬
in er durch diesen bittern Verweiß versetzt wurde,
ebenfalls einem gewaltigen Stoß erhielt, wovon
es sich nie wieder erhohlen konnte. Das schüch¬
terne Wesen, was Reiser auf diese Veranlassung
von nun an in der Gegenwart des Direktors be¬
wieß, diente dazu, ihn bei denselben noch im¬
mer mehr herabzusetzen. -- Kurz, von einem
einzigen zu schnell umgeschlagenen Blatte, in
dem Exemplar des Direktors von Ciceros Buche
von den Pflichten, schrieben sich größtentheils
alle die Leiden her, die Reisern von nun an in
seinen Schuljahren bevorstanden, und welche sich
vorzüglich auf den Mangel der Achtung des Di¬
rektors gründeten, dessen Beifall, woran ihm so

lichkeit umſchlug, daß er es beinahe zerriſſen
haͤtte. Durch ſo etwas konnte nun die Empfind¬
lichkeit des Direktors, der in allem ſtets die aͤu¬
ßerſte Delikateſſe ſuchte, gerade am ſtaͤrkſten be¬
leidigt worden. — Reiſer verlohr unendlich bei
ihm durch dieſen Zug von anſcheinenden Mangel
an feiner Empfindung und feiner Lebensart. Der
Direktor verwieß ihm auf eine ſehr bittere Art
ſeine Ungeſchicklichkeit, ſo daß Reiſers Zutrauen
zu dem Direktor, durch die Beſchaͤmung, wor¬
in er durch dieſen bittern Verweiß verſetzt wurde,
ebenfalls einem gewaltigen Stoß erhielt, wovon
es ſich nie wieder erhohlen konnte. Das ſchuͤch¬
terne Weſen, was Reiſer auf dieſe Veranlaſſung
von nun an in der Gegenwart des Direktors be¬
wieß, diente dazu, ihn bei denſelben noch im¬
mer mehr herabzuſetzen. — Kurz, von einem
einzigen zu ſchnell umgeſchlagenen Blatte, in
dem Exemplar des Direktors von Ciceros Buche
von den Pflichten, ſchrieben ſich groͤßtentheils
alle die Leiden her, die Reiſern von nun an in
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[107/0117] lichkeit umſchlug, daß er es beinahe zerriſſen haͤtte. Durch ſo etwas konnte nun die Empfind¬ lichkeit des Direktors, der in allem ſtets die aͤu¬ ßerſte Delikateſſe ſuchte, gerade am ſtaͤrkſten be¬ leidigt worden. — Reiſer verlohr unendlich bei ihm durch dieſen Zug von anſcheinenden Mangel an feiner Empfindung und feiner Lebensart. Der Direktor verwieß ihm auf eine ſehr bittere Art ſeine Ungeſchicklichkeit, ſo daß Reiſers Zutrauen zu dem Direktor, durch die Beſchaͤmung, wor¬ in er durch dieſen bittern Verweiß verſetzt wurde, ebenfalls einem gewaltigen Stoß erhielt, wovon es ſich nie wieder erhohlen konnte. Das ſchuͤch¬ terne Weſen, was Reiſer auf dieſe Veranlaſſung von nun an in der Gegenwart des Direktors be¬ wieß, diente dazu, ihn bei denſelben noch im¬ mer mehr herabzuſetzen. — Kurz, von einem einzigen zu ſchnell umgeſchlagenen Blatte, in dem Exemplar des Direktors von Ciceros Buche von den Pflichten, ſchrieben ſich groͤßtentheils alle die Leiden her, die Reiſern von nun an in ſeinen Schuljahren bevorſtanden, und welche ſich vorzuͤglich auf den Mangel der Achtung des Di¬ rektors gruͤndeten, deſſen Beifall, woran ihm ſo

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/117>, abgerufen am 24.11.2024.