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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

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ihm die Rückkehr verwehrte, oder gar der Teufel
bald wie ein fleckigtes Huhn, bald wie ein schwar¬
zes Tuch an der Wand ihm erschien.

Als seine Mutter noch mit ihm auf dem
Dorfe wohnte, jagte ihm jede alte Frau Furcht
und Entsetzen ein, so viel hörte er beständig von
Hexen und Zaubereien; und wenn der Wind oft
mit sonderbaren Getön durch die Hütte pfif, so
nannte seine Mutter dies im allegorischen Sinn
den handlosen Mann, ohne weiter etwas dabei
zu denken.

Allein sie würde es nicht gethan haben, hätte
sie gewußt, wie manche grauenvolle Stunde und
wie manche schlaflose Nacht dieser handlose
Mann ihrem Sohne noch lange nachher ge¬
macht hat.

Insbesondre waren immer die letzten vier
Wochen vor Weihnachten für Anton ein Fege¬
feuer, wogegen er gerne den mit Wachslichtern
besteckten und mit übersilberten Aepfeln und
Nüssen behängten Tannenbaum entbehrt hätte.

Da ging kein Tag hin, wo sich nicht ein son¬
derbares Getöse wie von Glocken, oder ein
Scharren vor der Thüre, oder eine dumpfe

ihm die Ruͤckkehr verwehrte, oder gar der Teufel
bald wie ein fleckigtes Huhn, bald wie ein ſchwar¬
zes Tuch an der Wand ihm erſchien.

Als ſeine Mutter noch mit ihm auf dem
Dorfe wohnte, jagte ihm jede alte Frau Furcht
und Entſetzen ein, ſo viel hoͤrte er beſtaͤndig von
Hexen und Zaubereien; und wenn der Wind oft
mit ſonderbaren Getoͤn durch die Huͤtte pfif, ſo
nannte ſeine Mutter dies im allegoriſchen Sinn
den handloſen Mann, ohne weiter etwas dabei
zu denken.

Allein ſie wuͤrde es nicht gethan haben, haͤtte
ſie gewußt, wie manche grauenvolle Stunde und
wie manche ſchlafloſe Nacht dieſer handloſe
Mann ihrem Sohne noch lange nachher ge¬
macht hat.

Insbeſondre waren immer die letzten vier
Wochen vor Weihnachten fuͤr Anton ein Fege¬
feuer, wogegen er gerne den mit Wachslichtern
beſteckten und mit uͤberſilberten Aepfeln und
Nuͤſſen behaͤngten Tannenbaum entbehrt haͤtte.

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[46/0056] ihm die Ruͤckkehr verwehrte, oder gar der Teufel bald wie ein fleckigtes Huhn, bald wie ein ſchwar¬ zes Tuch an der Wand ihm erſchien. Als ſeine Mutter noch mit ihm auf dem Dorfe wohnte, jagte ihm jede alte Frau Furcht und Entſetzen ein, ſo viel hoͤrte er beſtaͤndig von Hexen und Zaubereien; und wenn der Wind oft mit ſonderbaren Getoͤn durch die Huͤtte pfif, ſo nannte ſeine Mutter dies im allegoriſchen Sinn den handloſen Mann, ohne weiter etwas dabei zu denken. Allein ſie wuͤrde es nicht gethan haben, haͤtte ſie gewußt, wie manche grauenvolle Stunde und wie manche ſchlafloſe Nacht dieſer handloſe Mann ihrem Sohne noch lange nachher ge¬ macht hat. Insbeſondre waren immer die letzten vier Wochen vor Weihnachten fuͤr Anton ein Fege¬ feuer, wogegen er gerne den mit Wachslichtern beſteckten und mit uͤberſilberten Aepfeln und Nuͤſſen behaͤngten Tannenbaum entbehrt haͤtte. Da ging kein Tag hin, wo ſich nicht ein ſon¬ derbares Getoͤſe wie von Glocken, oder ein Scharren vor der Thuͤre, oder eine dumpfe

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/56>, abgerufen am 17.06.2024.