Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.und Verachtung nennen hörte, die ihm durch Woher mochte wohl dieß sehnliche Ver¬ Am Ende freilich ward dieß Gefühl ziemlich Er fühlte auf das innigste das Bedürfniß und Verachtung nennen hoͤrte, die ihm durch Woher mochte wohl dieß ſehnliche Ver¬ Am Ende freilich ward dieß Gefuͤhl ziemlich Er fuͤhlte auf das innigſte das Beduͤrfniß <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0022" n="12"/> und Verachtung nennen hoͤrte, die ihm durch<lb/> die Seele ging.</p><lb/> <p>Woher mochte wohl dieß ſehnliche Ver¬<lb/> langen nach einer liebreichen Behandlung bei<lb/> ihm entſtehen, da er doch derſelben nie ge¬<lb/> wohnt geweſen war, und alſo kaum einige Be¬<lb/> griffe davon haben konnte?</p><lb/> <p>Am Ende freilich ward dieß Gefuͤhl ziemlich<lb/> bei ihm abgeſtumpft; es war ihm beinahe, als<lb/> muͤſſe es beſtaͤndig geſcholten ſeyn, und ein<lb/> freundlicher Blick, den er einmal erhielt, war<lb/> ihm ganz etwas ſonderbares, das nicht recht zu<lb/> ſeinen uͤbrigen Vorſtellungen paſſen wollte.</p><lb/> <p>Er fuͤhlte auf das innigſte das Beduͤrfniß<lb/> der Freundſchaft von ſeines Gleichen: und oft,<lb/> wenn er einen Knaben von ſeinem Alter ſahe,<lb/> hing ſeine ganze Seele an ihm, und er haͤtte<lb/> alles drum gegeben, ſein Freund zu werden;<lb/> allein das niederſchlagende Gefuͤhl der Verach¬<lb/> tung, die er von ſeinen Eltern erlitten, und die<lb/> Scham, wegen ſeiner armſeligen, ſchmutzigen,<lb/> und zerrißnen Kleidung hielten ihn zuruͤck, daß<lb/> er es nicht wagte, einen gluͤcklichern Knaben<lb/> anzureden.</p><lb/> </body> </text> </TEI> [12/0022]
und Verachtung nennen hoͤrte, die ihm durch
die Seele ging.
Woher mochte wohl dieß ſehnliche Ver¬
langen nach einer liebreichen Behandlung bei
ihm entſtehen, da er doch derſelben nie ge¬
wohnt geweſen war, und alſo kaum einige Be¬
griffe davon haben konnte?
Am Ende freilich ward dieß Gefuͤhl ziemlich
bei ihm abgeſtumpft; es war ihm beinahe, als
muͤſſe es beſtaͤndig geſcholten ſeyn, und ein
freundlicher Blick, den er einmal erhielt, war
ihm ganz etwas ſonderbares, das nicht recht zu
ſeinen uͤbrigen Vorſtellungen paſſen wollte.
Er fuͤhlte auf das innigſte das Beduͤrfniß
der Freundſchaft von ſeines Gleichen: und oft,
wenn er einen Knaben von ſeinem Alter ſahe,
hing ſeine ganze Seele an ihm, und er haͤtte
alles drum gegeben, ſein Freund zu werden;
allein das niederſchlagende Gefuͤhl der Verach¬
tung, die er von ſeinen Eltern erlitten, und die
Scham, wegen ſeiner armſeligen, ſchmutzigen,
und zerrißnen Kleidung hielten ihn zuruͤck, daß
er es nicht wagte, einen gluͤcklichern Knaben
anzureden.
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