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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

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eben diesen Prediger würde zum Religionsun¬
terricht, und Beichte und Abendmahl gehen müs¬
sen, weil er ihr Beichtvater wäre, und sie zu sei¬
ner Gemeine gehörte.

Wem hätte es Anton geglaubt, daß er diesen
Mann, gegen den er damals eine unwiderstehliche
Abneigung empfand, einmal würde lieben können,
daß dieser einmal sein Freund, sein Wohlthäter
werden würde?

Indes ereignete sich ein Vorfall, der Antons
Seele, die schon zur Schwermut geneigt war,
in eine noch traurigere Stimmung versetzte: seine
Mutter wurde tödtlich krank, und schwebte vier¬
zehn Tage lang in Lebensgefahr. -- Was An¬
ton dabei empfand, läßt sich nicht beschreiben. --
Es war ihm, als ob er in seiner Mutter sich
selbst absterben würde, so innig war sein
Daseyn mit dem ihrigen verwebt. -- Ganze
Nächte durch weinte er oft, wenn er gehört hatte,
daß der Arzt die Hoffnung zur Genesung auf¬
gab. -- Es war ihm, als sey es schlechterdings
nicht möglich, daß er den Verlust seiner Mut¬
ter würde ertragen können. -- Was war na¬
türlicher, da er von aller Welt verlassen war,

und
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eben dieſen Prediger wuͤrde zum Religionsun¬
terricht, und Beichte und Abendmahl gehen muͤſ¬
ſen, weil er ihr Beichtvater waͤre, und ſie zu ſei¬
ner Gemeine gehoͤrte.

Wem haͤtte es Anton geglaubt, daß er dieſen
Mann, gegen den er damals eine unwiderſtehliche
Abneigung empfand, einmal wuͤrde lieben koͤnnen,
daß dieſer einmal ſein Freund, ſein Wohlthaͤter
werden wuͤrde?

Indes ereignete ſich ein Vorfall, der Antons
Seele, die ſchon zur Schwermut geneigt war,
in eine noch traurigere Stimmung verſetzte: ſeine
Mutter wurde toͤdtlich krank, und ſchwebte vier¬
zehn Tage lang in Lebensgefahr. — Was An¬
ton dabei empfand, laͤßt ſich nicht beſchreiben. —
Es war ihm, als ob er in ſeiner Mutter ſich
ſelbſt abſterben wuͤrde, ſo innig war ſein
Daſeyn mit dem ihrigen verwebt. — Ganze
Naͤchte durch weinte er oft, wenn er gehoͤrt hatte,
daß der Arzt die Hoffnung zur Geneſung auf¬
gab. — Es war ihm, als ſey es ſchlechterdings
nicht moͤglich, daß er den Verluſt ſeiner Mut¬
ter wuͤrde ertragen koͤnnen. — Was war na¬
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[165/0175] eben dieſen Prediger wuͤrde zum Religionsun¬ terricht, und Beichte und Abendmahl gehen muͤſ¬ ſen, weil er ihr Beichtvater waͤre, und ſie zu ſei¬ ner Gemeine gehoͤrte. Wem haͤtte es Anton geglaubt, daß er dieſen Mann, gegen den er damals eine unwiderſtehliche Abneigung empfand, einmal wuͤrde lieben koͤnnen, daß dieſer einmal ſein Freund, ſein Wohlthaͤter werden wuͤrde? Indes ereignete ſich ein Vorfall, der Antons Seele, die ſchon zur Schwermut geneigt war, in eine noch traurigere Stimmung verſetzte: ſeine Mutter wurde toͤdtlich krank, und ſchwebte vier¬ zehn Tage lang in Lebensgefahr. — Was An¬ ton dabei empfand, laͤßt ſich nicht beſchreiben. — Es war ihm, als ob er in ſeiner Mutter ſich ſelbſt abſterben wuͤrde, ſo innig war ſein Daſeyn mit dem ihrigen verwebt. — Ganze Naͤchte durch weinte er oft, wenn er gehoͤrt hatte, daß der Arzt die Hoffnung zur Geneſung auf¬ gab. — Es war ihm, als ſey es ſchlechterdings nicht moͤglich, daß er den Verluſt ſeiner Mut¬ ter wuͤrde ertragen koͤnnen. — Was war na¬ tuͤrlicher, da er von aller Welt verlaſſen war, und L 3

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/175>, abgerufen am 03.10.2024.