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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

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Er wurde nun auch von seinen Anhängern
ebenfalls wie ein Heiliger verehrt, und ihm wirk¬
lich zugetrauet, daß er, beim ersten Anblick, das
Innerste der Seele eines Menschen durchschauen
könne.

Zu seinem Hause geschahen Wallfahrten von
allen Seiten, und unter denen, die jährlich,
wenigstens einmal, dieses Haus besuchten, war
auch Antons Vater.

Dieser, ohne eigentliche Erziehung aufge¬
wachsen, hatte seine erste Frau sehr früh ge¬
heirathet, immer ein ziemlich wildes herumir¬
rendes Leben geführt, wohl zuweilen einige
fromme Rührungen gehabt, aber nicht viel dar¬
auf geachtet. Bis er nach dem Tode seiner er¬
sten Frau plötzlich in sich geht, auf einmal tief¬
sinnig, und wie man sagt, ein ganz andrer
Mensch wird, und bei seinem Aufenthalt in P.
zufälliger Weise erstlich den Verwalter des Hrn.
v. F. und nachher durch diesen den Hrn. v. F.
selber kennen lernte.

Dieser giebt ihm denn nach und nach die
Guionschen Schriften zu lesen, er findet Ge¬

Er wurde nun auch von ſeinen Anhaͤngern
ebenfalls wie ein Heiliger verehrt, und ihm wirk¬
lich zugetrauet, daß er, beim erſten Anblick, das
Innerſte der Seele eines Menſchen durchſchauen
koͤnne.

Zu ſeinem Hauſe geſchahen Wallfahrten von
allen Seiten, und unter denen, die jaͤhrlich,
wenigſtens einmal, dieſes Haus beſuchten, war
auch Antons Vater.

Dieſer, ohne eigentliche Erziehung aufge¬
wachſen, hatte ſeine erſte Frau ſehr fruͤh ge¬
heirathet, immer ein ziemlich wildes herumir¬
rendes Leben gefuͤhrt, wohl zuweilen einige
fromme Ruͤhrungen gehabt, aber nicht viel dar¬
auf geachtet. Bis er nach dem Tode ſeiner er¬
ſten Frau ploͤtzlich in ſich geht, auf einmal tief¬
ſinnig, und wie man ſagt, ein ganz andrer
Menſch wird, und bei ſeinem Aufenthalt in P.
zufaͤlliger Weiſe erſtlich den Verwalter des Hrn.
v. F. und nachher durch dieſen den Hrn. v. F.
ſelber kennen lernte.

Dieſer giebt ihm denn nach und nach die
Guionſchen Schriften zu leſen, er findet Ge¬

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[6/0016] Er wurde nun auch von ſeinen Anhaͤngern ebenfalls wie ein Heiliger verehrt, und ihm wirk¬ lich zugetrauet, daß er, beim erſten Anblick, das Innerſte der Seele eines Menſchen durchſchauen koͤnne. Zu ſeinem Hauſe geſchahen Wallfahrten von allen Seiten, und unter denen, die jaͤhrlich, wenigſtens einmal, dieſes Haus beſuchten, war auch Antons Vater. Dieſer, ohne eigentliche Erziehung aufge¬ wachſen, hatte ſeine erſte Frau ſehr fruͤh ge¬ heirathet, immer ein ziemlich wildes herumir¬ rendes Leben gefuͤhrt, wohl zuweilen einige fromme Ruͤhrungen gehabt, aber nicht viel dar¬ auf geachtet. Bis er nach dem Tode ſeiner er¬ ſten Frau ploͤtzlich in ſich geht, auf einmal tief¬ ſinnig, und wie man ſagt, ein ganz andrer Menſch wird, und bei ſeinem Aufenthalt in P. zufaͤlliger Weiſe erſtlich den Verwalter des Hrn. v. F. und nachher durch dieſen den Hrn. v. F. ſelber kennen lernte. Dieſer giebt ihm denn nach und nach die Guionſchen Schriften zu leſen, er findet Ge¬

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/16>, abgerufen am 23.11.2024.