Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.Das that er denn auch, so sehr er konnte; er Aber es konnte nicht fehlen, daß bei allen Jetzt empfand er doppelt alle die traurigen Leiden J 4
Das that er denn auch, ſo ſehr er konnte; er Aber es konnte nicht fehlen, daß bei allen Jetzt empfand er doppelt alle die traurigen Leiden J 4
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Das that er denn auch, ſo ſehr er konnte; er
betete des Tages unzaͤhligemal in einem Winkel
auf ſeinen Knien, und ertraͤumete ſich zuletzt da¬
durch eine feſte Ueberzeugung von der goͤttlichen
Gnade, und eine ſolche Heiterkeit der Seele,
daß er ſich oft ſchon im Himmel glaubte, und ſich
nun manchmal den Tod wuͤnſchte, ehe er wieder
von dieſem guten Wege abkommen moͤchte.
Aber es konnte nicht fehlen, daß bei allen
dieſen Ausſchweifungen ſeiner Phantaſie, die
Natur ihren Zeitpunkt wahrnahm, wo ſie wie¬
der zuruͤckkehrte — und dann die natuͤrliche Liebe
zum Leben, um des Lebens willen, in Antons
Seele wieder erwachte. — Dann war ihm frei¬
lich der Gedanke an ſeinen bevorſtehenden Tod
ſehr etwas Trauriges und Unangenehmes, und
er betrachtete dieſe Augenblicke, als ſolche, wo
er wieder aus der goͤttlichen Gnade gefallen ſey,
und gerieth daruͤber in neue Angſt, weil es ihm
nicht moͤglich war, die Stimme der Natur in
ſich zu unterdruͤcken.
Jetzt empfand er doppelt alle die traurigen
Folgen des Aberglaubens, der ihm von ſeiner
fruͤheſten Kindheit an, eingefloͤßet war — ſeine
Leiden
J 4
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