schen schien das Gewölbe zu erschüttern. Als der letzte Gesang zu Ende ging, waren aller Augen auf die Kanzel geheftet, und man bezeigte nicht minder Begierde, diesen fast angebeteten Pre¬ diger zu sehen, als zu hören.
Endlich trat er hervor, und kniete auf den untersten Stuffen der Kanzel, ehe er hinauf stieg. Dann erhob er sich wieder, und nun stand er da vor dem versammleten Volke. Ein Mann noch in der vollen Kraft seiner Jahre -- sein Antlitz war bleich, sein Mund schien sich in ein sanftes Lächeln zu verziehen, seine Augen glänzten himmlische Andacht -- er predigte schon, wie er da stand, mit seinen Minen, mit sei¬ nen stillgefaltenen Händen.
Und nun, als er anhub, welche Stimme, welch ein Ausdruck! -- Erst langsam und feier¬ lich, und dann immer schneller und fortströmen¬ der: so wie er inniger in seine Materie eindrang, so fing das Feuer der Beredtsamkeit in seinen Augen an zu blitzen, aus seiner Brust an zu ath¬ men, und bis in seine äußersten Fingerspitzen Funken zu sprühen. Alles war an ihm in Be¬ wegung; sein Ausdruck durch Minen, Stellung
und
ſchen ſchien das Gewoͤlbe zu erſchuͤttern. Als der letzte Geſang zu Ende ging, waren aller Augen auf die Kanzel geheftet, und man bezeigte nicht minder Begierde, dieſen faſt angebeteten Pre¬ diger zu ſehen, als zu hoͤren.
Endlich trat er hervor, und kniete auf den unterſten Stuffen der Kanzel, ehe er hinauf ſtieg. Dann erhob er ſich wieder, und nun ſtand er da vor dem verſammleten Volke. Ein Mann noch in der vollen Kraft ſeiner Jahre — ſein Antlitz war bleich, ſein Mund ſchien ſich in ein ſanftes Laͤcheln zu verziehen, ſeine Augen glaͤnzten himmliſche Andacht — er predigte ſchon, wie er da ſtand, mit ſeinen Minen, mit ſei¬ nen ſtillgefaltenen Haͤnden.
Und nun, als er anhub, welche Stimme, welch ein Ausdruck! — Erſt langſam und feier¬ lich, und dann immer ſchneller und fortſtroͤmen¬ der: ſo wie er inniger in ſeine Materie eindrang, ſo fing das Feuer der Beredtſamkeit in ſeinen Augen an zu blitzen, aus ſeiner Bruſt an zu ath¬ men, und bis in ſeine aͤußerſten Fingerſpitzen Funken zu ſpruͤhen. Alles war an ihm in Be¬ wegung; ſein Ausdruck durch Minen, Stellung
und
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ſchen ſchien das Gewoͤlbe zu erſchuͤttern. Als der
letzte Geſang zu Ende ging, waren aller Augen
auf die Kanzel geheftet, und man bezeigte nicht
minder Begierde, dieſen faſt angebeteten Pre¬
diger zu ſehen, als zu hoͤren.
Endlich trat er hervor, und kniete auf den
unterſten Stuffen der Kanzel, ehe er hinauf
ſtieg. Dann erhob er ſich wieder, und nun ſtand
er da vor dem verſammleten Volke. Ein Mann
noch in der vollen Kraft ſeiner Jahre — ſein
Antlitz war bleich, ſein Mund ſchien ſich in
ein ſanftes Laͤcheln zu verziehen, ſeine Augen
glaͤnzten himmliſche Andacht — er predigte ſchon,
wie er da ſtand, mit ſeinen Minen, mit ſei¬
nen ſtillgefaltenen Haͤnden.
Und nun, als er anhub, welche Stimme,
welch ein Ausdruck! — Erſt langſam und feier¬
lich, und dann immer ſchneller und fortſtroͤmen¬
der: ſo wie er inniger in ſeine Materie eindrang,
ſo fing das Feuer der Beredtſamkeit in ſeinen
Augen an zu blitzen, aus ſeiner Bruſt an zu ath¬
men, und bis in ſeine aͤußerſten Fingerſpitzen
Funken zu ſpruͤhen. Alles war an ihm in Be¬
wegung; ſein Ausdruck durch Minen, Stellung
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/124>, abgerufen am 17.06.2024.
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