Wänden umher, die mit Scheidenwasser bestrich¬ nen Hasenfelle aufgehangen, deren Haar hier weichgebeizt wurde, um nachher zu den feinern Hüten als Zuthat gebraucht zu werden.
Vor diesem Kohlenbecken und in diesem Dunstkreise saßen Anton und August in dem halbunterirrdischen Loche, in welches man mehr hineinkriechen als hineingehen mußte, und fühl¬ ten sich durch die Enge des Orts, der nur durch die Gluth der Kohlen schwach erleuchtet wurde, und durch das Abgesonderte, Stille und Schauer¬ liche dieses dunklen Gewölbes, so fest zusammen¬ geschlossen, daß ihre Herzen oft in wechselseiti¬ gen Ergießungen der Freundschaft überströmten. Hier entdeckten sie sich die innersten Gedanken ihrer Seele; hier brachten sie die seligsten Stun¬ den zu.
L. . . war, wie der Hr. v. F. und alle seine Anhänger, ein Separatist, der sich nicht zu Kirche und Abendmahl hielt. So lange also die Freundschaft zwischen ihm und Anton gedauert hatte, war dieser fast gar in keine Kirche in B. . . gekommen. Jetzt nahm ihn August des Sonn¬ tegs mit in die Küche, und sie gingen immer in
Waͤnden umher, die mit Scheidenwaſſer beſtrich¬ nen Haſenfelle aufgehangen, deren Haar hier weichgebeizt wurde, um nachher zu den feinern Huͤten als Zuthat gebraucht zu werden.
Vor dieſem Kohlenbecken und in dieſem Dunſtkreiſe ſaßen Anton und Auguſt in dem halbunterirrdiſchen Loche, in welches man mehr hineinkriechen als hineingehen mußte, und fuͤhl¬ ten ſich durch die Enge des Orts, der nur durch die Gluth der Kohlen ſchwach erleuchtet wurde, und durch das Abgeſonderte, Stille und Schauer¬ liche dieſes dunklen Gewoͤlbes, ſo feſt zuſammen¬ geſchloſſen, daß ihre Herzen oft in wechſelſeiti¬ gen Ergießungen der Freundſchaft uͤberſtroͤmten. Hier entdeckten ſie ſich die innerſten Gedanken ihrer Seele; hier brachten ſie die ſeligſten Stun¬ den zu.
L. . . war, wie der Hr. v. F. und alle ſeine Anhaͤnger, ein Separatiſt, der ſich nicht zu Kirche und Abendmahl hielt. So lange alſo die Freundſchaft zwiſchen ihm und Anton gedauert hatte, war dieſer faſt gar in keine Kirche in B. . . gekommen. Jetzt nahm ihn Auguſt des Sonn¬ tegs mit in die Kuͤche, und ſie gingen immer in
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0121"n="111"/>
Waͤnden umher, die mit Scheidenwaſſer beſtrich¬<lb/>
nen Haſenfelle aufgehangen, deren Haar hier<lb/>
weichgebeizt wurde, um nachher zu den feinern<lb/>
Huͤten als Zuthat gebraucht zu werden.</p><lb/><p>Vor dieſem Kohlenbecken und in dieſem<lb/>
Dunſtkreiſe ſaßen Anton und Auguſt in dem<lb/>
halbunterirrdiſchen Loche, in welches man mehr<lb/>
hineinkriechen als hineingehen mußte, und fuͤhl¬<lb/>
ten ſich durch die Enge des Orts, der nur durch<lb/>
die Gluth der Kohlen ſchwach erleuchtet wurde,<lb/>
und durch das Abgeſonderte, Stille und Schauer¬<lb/>
liche dieſes dunklen Gewoͤlbes, ſo feſt zuſammen¬<lb/>
geſchloſſen, daß ihre Herzen oft in wechſelſeiti¬<lb/>
gen Ergießungen der Freundſchaft uͤberſtroͤmten.<lb/>
Hier entdeckten ſie ſich die innerſten Gedanken<lb/>
ihrer Seele; hier brachten ſie die ſeligſten Stun¬<lb/>
den zu.</p><lb/><p>L. . . war, wie der Hr. v. F. und alle ſeine<lb/>
Anhaͤnger, ein Separatiſt, der ſich nicht zu<lb/>
Kirche und Abendmahl hielt. So lange alſo die<lb/>
Freundſchaft zwiſchen ihm und Anton gedauert<lb/>
hatte, war dieſer faſt gar in keine Kirche in B. . .<lb/>
gekommen. Jetzt nahm ihn Auguſt des Sonn¬<lb/>
tegs mit in die Kuͤche, und ſie gingen immer in<lb/></p></body></text></TEI>
[111/0121]
Waͤnden umher, die mit Scheidenwaſſer beſtrich¬
nen Haſenfelle aufgehangen, deren Haar hier
weichgebeizt wurde, um nachher zu den feinern
Huͤten als Zuthat gebraucht zu werden.
Vor dieſem Kohlenbecken und in dieſem
Dunſtkreiſe ſaßen Anton und Auguſt in dem
halbunterirrdiſchen Loche, in welches man mehr
hineinkriechen als hineingehen mußte, und fuͤhl¬
ten ſich durch die Enge des Orts, der nur durch
die Gluth der Kohlen ſchwach erleuchtet wurde,
und durch das Abgeſonderte, Stille und Schauer¬
liche dieſes dunklen Gewoͤlbes, ſo feſt zuſammen¬
geſchloſſen, daß ihre Herzen oft in wechſelſeiti¬
gen Ergießungen der Freundſchaft uͤberſtroͤmten.
Hier entdeckten ſie ſich die innerſten Gedanken
ihrer Seele; hier brachten ſie die ſeligſten Stun¬
den zu.
L. . . war, wie der Hr. v. F. und alle ſeine
Anhaͤnger, ein Separatiſt, der ſich nicht zu
Kirche und Abendmahl hielt. So lange alſo die
Freundſchaft zwiſchen ihm und Anton gedauert
hatte, war dieſer faſt gar in keine Kirche in B. . .
gekommen. Jetzt nahm ihn Auguſt des Sonn¬
tegs mit in die Kuͤche, und ſie gingen immer in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/121>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.