In P., einem Orte, der wegen seines Ge¬ sundbrunnens berühmt ist, lebte noch im Jahr 1756 ein Edelmann auf seinem Gute, der das Haupt einer Sekte in Deutschland war, die unter dem Namen der Quietisten oder Separa¬ tisten bekannt ist, und deren Lehren vorzüglich in den Schriften der Mad. Guion, einer be¬ kannten Schwärmerin, enthalten sind, die zu Fenelons Zeiten, mit dem sie auch Umgang hatte, in Frankreich lebte.
Der Hr. v. F., so hieß dieser Edelmann, wohnte hier von allen übrigen Einwohnern des Orts, und ihrer Religion, Sitten, und Ge¬ bräuchen, eben so abgesondert, wie sein Haus von den ihrigen durch eine hohe Mauer geschie¬ den war, die es von allen Seiten umgab.
Dieß Haus nun machte für sich eine kleine Republik aus, worin gewiß eine ganz andre Verfassung, als rund umher im ganzen Lande herrschte. Das ganze Hauswesen bis auf den geringsten Dienstbothen bestand aus lauter sol¬ chen Personen, deren Bestreben nur dahin ging,
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In P., einem Orte, der wegen ſeines Ge¬ ſundbrunnens beruͤhmt iſt, lebte noch im Jahr 1756 ein Edelmann auf ſeinem Gute, der das Haupt einer Sekte in Deutſchland war, die unter dem Namen der Quietiſten oder Separa¬ tiſten bekannt iſt, und deren Lehren vorzuͤglich in den Schriften der Mad. Guion, einer be¬ kannten Schwaͤrmerin, enthalten ſind, die zu Fenelons Zeiten, mit dem ſie auch Umgang hatte, in Frankreich lebte.
Der Hr. v. F., ſo hieß dieſer Edelmann, wohnte hier von allen uͤbrigen Einwohnern des Orts, und ihrer Religion, Sitten, und Ge¬ braͤuchen, eben ſo abgeſondert, wie ſein Haus von den ihrigen durch eine hohe Mauer geſchie¬ den war, die es von allen Seiten umgab.
Dieß Haus nun machte fuͤr ſich eine kleine Republik aus, worin gewiß eine ganz andre Verfaſſung, als rund umher im ganzen Lande herrſchte. Das ganze Hausweſen bis auf den geringſten Dienſtbothen beſtand aus lauter ſol¬ chen Perſonen, deren Beſtreben nur dahin ging,
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In P., einem Orte, der wegen ſeines Ge¬
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1756 ein Edelmann auf ſeinem Gute, der das
Haupt einer Sekte in Deutſchland war, die
unter dem Namen der Quietiſten oder Separa¬
tiſten bekannt iſt, und deren Lehren vorzuͤglich
in den Schriften der Mad. Guion, einer be¬
kannten Schwaͤrmerin, enthalten ſind, die zu
Fenelons Zeiten, mit dem ſie auch Umgang
hatte, in Frankreich lebte.
Der Hr. v. F., ſo hieß dieſer Edelmann,
wohnte hier von allen uͤbrigen Einwohnern des
Orts, und ihrer Religion, Sitten, und Ge¬
braͤuchen, eben ſo abgeſondert, wie ſein Haus
von den ihrigen durch eine hohe Mauer geſchie¬
den war, die es von allen Seiten umgab.
Dieß Haus nun machte fuͤr ſich eine kleine
Republik aus, worin gewiß eine ganz andre
Verfaſſung, als rund umher im ganzen Lande
herrſchte. Das ganze Hausweſen bis auf den
geringſten Dienſtbothen beſtand aus lauter ſol¬
chen Perſonen, deren Beſtreben nur dahin ging,
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/11>, abgerufen am 27.07.2024.
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