Ja es kam gar einmal so weit, daß über sei¬ nen Seelenzustand mit dem Hrn. v. F. korre¬ spondirt, und ihm eine Stelle in dem Briefe des Hrn. v. F., die sich auf ihn bezog, gezeigt wurde. Was Wunder, daß er auf die Weise veranlaßt wurde, sich durch allerlei eingebildete Veränderungen seines Seelenzustandes, in sei¬ nen eignen Augen sowohl, als in den Augen andrer, bei dieser Wichtigkeit zu erhalten, da er als ein Wesen betrachtet wurde, bei dem sich eine ganz eigne besondre Führung Gottes offenbarte.
Er bekam nun auch eine schwarze Schürze, wie der andre Lehrbursche, und anstatt, daß ihn dieser Umstand hätte niederschlagen sollen, trug er vielmehr vieles zu seiner Zufriedenheit bei. Er betrachtete sich nun als einen Menschen, der schon anfing, einen gewissen Stand zu beklei¬ den. Die Schürze brachte ihn gleichsam in Reihe und Glied mit andern seines Gleichen, da er vorher einzeln und verlassen da stand -- er vergaß über die Schürze eine Zeitlang seinen Hang zum Studieren; und fing an, auch an den übrigen Handwerksgebräuchen eine Art
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Ja es kam gar einmal ſo weit, daß uͤber ſei¬ nen Seelenzuſtand mit dem Hrn. v. F. korre¬ ſpondirt, und ihm eine Stelle in dem Briefe des Hrn. v. F., die ſich auf ihn bezog, gezeigt wurde. Was Wunder, daß er auf die Weiſe veranlaßt wurde, ſich durch allerlei eingebildete Veraͤnderungen ſeines Seelenzuſtandes, in ſei¬ nen eignen Augen ſowohl, als in den Augen andrer, bei dieſer Wichtigkeit zu erhalten, da er als ein Weſen betrachtet wurde, bei dem ſich eine ganz eigne beſondre Fuͤhrung Gottes offenbarte.
Er bekam nun auch eine ſchwarze Schuͤrze, wie der andre Lehrburſche, und anſtatt, daß ihn dieſer Umſtand haͤtte niederſchlagen ſollen, trug er vielmehr vieles zu ſeiner Zufriedenheit bei. Er betrachtete ſich nun als einen Menſchen, der ſchon anfing, einen gewiſſen Stand zu beklei¬ den. Die Schuͤrze brachte ihn gleichſam in Reihe und Glied mit andern ſeines Gleichen, da er vorher einzeln und verlaſſen da ſtand — er vergaß uͤber die Schuͤrze eine Zeitlang ſeinen Hang zum Studieren; und fing an, auch an den uͤbrigen Handwerksgebraͤuchen eine Art
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[97/0107]
Ja es kam gar einmal ſo weit, daß uͤber ſei¬
nen Seelenzuſtand mit dem Hrn. v. F. korre¬
ſpondirt, und ihm eine Stelle in dem Briefe
des Hrn. v. F., die ſich auf ihn bezog, gezeigt
wurde. Was Wunder, daß er auf die Weiſe
veranlaßt wurde, ſich durch allerlei eingebildete
Veraͤnderungen ſeines Seelenzuſtandes, in ſei¬
nen eignen Augen ſowohl, als in den Augen
andrer, bei dieſer Wichtigkeit zu erhalten,
da er als ein Weſen betrachtet wurde, bei dem
ſich eine ganz eigne beſondre Fuͤhrung Gottes
offenbarte.
Er bekam nun auch eine ſchwarze Schuͤrze,
wie der andre Lehrburſche, und anſtatt, daß ihn
dieſer Umſtand haͤtte niederſchlagen ſollen, trug
er vielmehr vieles zu ſeiner Zufriedenheit bei.
Er betrachtete ſich nun als einen Menſchen, der
ſchon anfing, einen gewiſſen Stand zu beklei¬
den. Die Schuͤrze brachte ihn gleichſam in
Reihe und Glied mit andern ſeines Gleichen,
da er vorher einzeln und verlaſſen da ſtand —
er vergaß uͤber die Schuͤrze eine Zeitlang ſeinen
Hang zum Studieren; und fing an, auch an
den uͤbrigen Handwerksgebraͤuchen eine Art
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/107>, abgerufen am 26.06.2024.
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