Gedanke da, wie er nun diesen seinen Seelen¬ zustand etwa in einem Briefe an seinen Vater oder den Hrn. v. F. einkleiden, oder ihn Hrn. L. . . erzählen wollte. Es waren also dergleichen eingebildete innere Gefühle immer eine süße Nahrung seiner Eitelkeit, und das innige Ver¬ gnügen, was er darüber empfand, wurde vor¬ züglich durch den Gedanken erweckt, daß er doch nun sagen könnte, er habe ein solches göttliches, himmlisches Vergnügen in seiner Seele empfun¬ den -- es schmeichelte ihn immer sehr, wenn erwachsene und bejahrte Leute seinen Seelenzu¬ stand für so wichtig hielten, daß sie sich darum bekümmerten. Das war der Grund, daß er sich so oft einen abwechselnden Seelenzustand zu haben einbildete, um dann etwa dem Hrn. L. . . klagen zu können, daß er sich in einem Zustande der Leere, der Trockenheit befinde, daß er keine rechte Sehnsucht nach Gott bei sich verspüre, u. s. w., und sich alsdann den Rath des Hrn. L. . . über diesen seinen Seelenzustand ausbitten zu können, der ihm denn auch immer mit vieler für ihn schmeichelhaften Wichtigkeit ertheilt ward.
Gedanke da, wie er nun dieſen ſeinen Seelen¬ zuſtand etwa in einem Briefe an ſeinen Vater oder den Hrn. v. F. einkleiden, oder ihn Hrn. L. . . erzaͤhlen wollte. Es waren alſo dergleichen eingebildete innere Gefuͤhle immer eine ſuͤße Nahrung ſeiner Eitelkeit, und das innige Ver¬ gnuͤgen, was er daruͤber empfand, wurde vor¬ zuͤglich durch den Gedanken erweckt, daß er doch nun ſagen koͤnnte, er habe ein ſolches goͤttliches, himmliſches Vergnuͤgen in ſeiner Seele empfun¬ den — es ſchmeichelte ihn immer ſehr, wenn erwachſene und bejahrte Leute ſeinen Seelenzu¬ ſtand fuͤr ſo wichtig hielten, daß ſie ſich darum bekuͤmmerten. Das war der Grund, daß er ſich ſo oft einen abwechſelnden Seelenzuſtand zu haben einbildete, um dann etwa dem Hrn. L. . . klagen zu koͤnnen, daß er ſich in einem Zuſtande der Leere, der Trockenheit befinde, daß er keine rechte Sehnſucht nach Gott bei ſich verſpuͤre, u. ſ. w., und ſich alsdann den Rath des Hrn. L. . . uͤber dieſen ſeinen Seelenzuſtand ausbitten zu koͤnnen, der ihm denn auch immer mit vieler fuͤr ihn ſchmeichelhaften Wichtigkeit ertheilt ward.
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Gedanke da, wie er nun dieſen ſeinen Seelen¬
zuſtand etwa in einem Briefe an ſeinen Vater
oder den Hrn. v. F. einkleiden, oder ihn Hrn.
L. . . erzaͤhlen wollte. Es waren alſo dergleichen
eingebildete innere Gefuͤhle immer eine ſuͤße
Nahrung ſeiner Eitelkeit, und das innige Ver¬
gnuͤgen, was er daruͤber empfand, wurde vor¬
zuͤglich durch den Gedanken erweckt, daß er doch
nun ſagen koͤnnte, er habe ein ſolches goͤttliches,
himmliſches Vergnuͤgen in ſeiner Seele empfun¬
den — es ſchmeichelte ihn immer ſehr, wenn
erwachſene und bejahrte Leute ſeinen Seelenzu¬
ſtand fuͤr ſo wichtig hielten, daß ſie ſich darum
bekuͤmmerten. Das war der Grund, daß er ſich
ſo oft einen abwechſelnden Seelenzuſtand zu
haben einbildete, um dann etwa dem Hrn. L. . .
klagen zu koͤnnen, daß er ſich in einem Zuſtande
der Leere, der Trockenheit befinde, daß er keine
rechte Sehnſucht nach Gott bei ſich verſpuͤre,
u. ſ. w., und ſich alsdann den Rath des Hrn.
L. . . uͤber dieſen ſeinen Seelenzuſtand ausbitten
zu koͤnnen, der ihm denn auch immer mit vieler
fuͤr ihn ſchmeichelhaften Wichtigkeit ertheilt
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/106>, abgerufen am 17.06.2024.
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