die religiösen Ausdrücke des Hrn. L. von Ertöd¬ tung, u. s. w. nachzuahmen suchte, gerieth er oft in ein sonderbares Galimathias.
Mit vorzüglichem Nachdruck wußte er sich einiger Stellen aus den Psalmen Davids, worinn eben keine sanftmüthigen Gesinnungen gegen die Feinde geäußert werden, zu bedienen, wenn er glaubte, durch die Haushälterin oder jemand anders, angeschwärzt und verläumdet zu seyn.
So waren fast alle Hausgenossen mehr oder weniger von den religiösen Schwärmereien des Hrn. L. angesteckt, ausgenommen der Geselle. Dieser warf ihm, wenn er ihm manchmal zuviel von Ertödtung und Vernichtung schwatzte, einen solchen tödtenden und vernichtenden Blick zu, daß Hr. L. sich mit Abscheu wegwandte, und still schwieg.
Sonst konnte Hr. L. zuweilen stundenlange Strafpredigten gegen das ganze menschliche Ge¬ schlecht halten. Mit einer sanften Bewegung der rechten Hand theilte er dann Segen und Ver¬ dammniß aus. Seine Miene sollte dabei mitleids¬ voll seyn, aber die Intoleranz und der Menschen¬
die religioͤſen Ausdruͤcke des Hrn. L. von Ertoͤd¬ tung, u. ſ. w. nachzuahmen ſuchte, gerieth er oft in ein ſonderbares Galimathias.
Mit vorzuͤglichem Nachdruck wußte er ſich einiger Stellen aus den Pſalmen Davids, worinn eben keine ſanftmuͤthigen Geſinnungen gegen die Feinde geaͤußert werden, zu bedienen, wenn er glaubte, durch die Haushaͤlterin oder jemand anders, angeſchwaͤrzt und verlaͤumdet zu ſeyn.
So waren faſt alle Hausgenoſſen mehr oder weniger von den religioͤſen Schwaͤrmereien des Hrn. L. angeſteckt, ausgenommen der Geſelle. Dieſer warf ihm, wenn er ihm manchmal zuviel von Ertoͤdtung und Vernichtung ſchwatzte, einen ſolchen toͤdtenden und vernichtenden Blick zu, daß Hr. L. ſich mit Abſcheu wegwandte, und ſtill ſchwieg.
Sonſt konnte Hr. L. zuweilen ſtundenlange Strafpredigten gegen das ganze menſchliche Ge¬ ſchlecht halten. Mit einer ſanften Bewegung der rechten Hand theilte er dann Segen und Ver¬ dammniß aus. Seine Miene ſollte dabei mitleids¬ voll ſeyn, aber die Intoleranz und der Menſchen¬
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die religioͤſen Ausdruͤcke des Hrn. L. von Ertoͤd¬
tung, u. ſ. w. nachzuahmen ſuchte, gerieth er oft
in ein ſonderbares Galimathias.
Mit vorzuͤglichem Nachdruck wußte er ſich
einiger Stellen aus den Pſalmen Davids,
worinn eben keine ſanftmuͤthigen Geſinnungen
gegen die Feinde geaͤußert werden, zu bedienen,
wenn er glaubte, durch die Haushaͤlterin oder
jemand anders, angeſchwaͤrzt und verlaͤumdet
zu ſeyn.
So waren faſt alle Hausgenoſſen mehr oder
weniger von den religioͤſen Schwaͤrmereien des
Hrn. L. angeſteckt, ausgenommen der Geſelle.
Dieſer warf ihm, wenn er ihm manchmal zuviel
von Ertoͤdtung und Vernichtung ſchwatzte, einen
ſolchen toͤdtenden und vernichtenden Blick zu,
daß Hr. L. ſich mit Abſcheu wegwandte, und
ſtill ſchwieg.
Sonſt konnte Hr. L. zuweilen ſtundenlange
Strafpredigten gegen das ganze menſchliche Ge¬
ſchlecht halten. Mit einer ſanften Bewegung der
rechten Hand theilte er dann Segen und Ver¬
dammniß aus. Seine Miene ſollte dabei mitleids¬
voll ſeyn, aber die Intoleranz und der Menſchen¬
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/101>, abgerufen am 26.06.2024.
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