und aus einer Felsengrotte zu ihren Füßen, die phantastischen Gestalten der Träume hervorbli- cken, ist von dem neuern Künstler, der die Um- risse zu diesem Werk gezeichnet, nach einer Be- schreibung des Pausanias entworfen.
Pausanias erzählt nemlich, daß er auf dem Kasten des Cypselus auf der einen Seite desselben, die Nacht in weiblicher Gestalt abgebildet gesehen, wie sie zwei Knaben mit verschränkten, oder über einander geschlagenen Füßen in ihren beiden Armen hielt, wovon der eine weiß, der andre schwarz war; der eine schlief, der andere zu schlafen schien.
In der hier beigefügten Abbildung ist der Tod durch eine umgekehrte Fackel und der Schlaf durch einen Mohnstengel bezeichnet. Die Nacht selbst ist, als die fruchtbare Gebährerin aller Din- ge in jugendlicher Kraft und Schönheit dargestellt.
So ist sie auch auf einer antiken Gemme, de- ren Umriß ebenfalls hier beigefügt ist, abgebildet, wie sie unter dem umschattenden Wipfel eines Baumes, dem Morpheus und seinen Brüdern Mohn austheilet. Der bildende Traumgott Mor- pheus, ein Sohn des Schlafs, steht in schöner jugendlicher Gestalt vor ihr, und empfängt den Mohn aus ihren Händen, indeß die Brüder des Morpheus, ebenfals Götter der Träume und Kin- der des Schlafes, hinter ihr gebückt gehen, um
und aus einer Felſengrotte zu ihren Fuͤßen, die phantaſtiſchen Geſtalten der Traͤume hervorbli- cken, iſt von dem neuern Kuͤnſtler, der die Um- riſſe zu dieſem Werk gezeichnet, nach einer Be- ſchreibung des Pauſanias entworfen.
Pauſanias erzaͤhlt nemlich, daß er auf dem Kaſten des Cypſelus auf der einen Seite deſſelben, die Nacht in weiblicher Geſtalt abgebildet geſehen, wie ſie zwei Knaben mit verſchraͤnkten, oder uͤber einander geſchlagenen Fuͤßen in ihren beiden Armen hielt, wovon der eine weiß, der andre ſchwarz war; der eine ſchlief, der andere zu ſchlafen ſchien.
In der hier beigefuͤgten Abbildung iſt der Tod durch eine umgekehrte Fackel und der Schlaf durch einen Mohnſtengel bezeichnet. Die Nacht ſelbſt iſt, als die fruchtbare Gebaͤhrerin aller Din- ge in jugendlicher Kraft und Schoͤnheit dargeſtellt.
So iſt ſie auch auf einer antiken Gemme, de- ren Umriß ebenfalls hier beigefuͤgt iſt, abgebildet, wie ſie unter dem umſchattenden Wipfel eines Baumes, dem Morpheus und ſeinen Bruͤdern Mohn austheilet. Der bildende Traumgott Mor- pheus, ein Sohn des Schlafs, ſteht in ſchoͤner jugendlicher Geſtalt vor ihr, und empfaͤngt den Mohn aus ihren Haͤnden, indeß die Bruͤder des Morpheus, ebenfals Goͤtter der Traͤume und Kin- der des Schlafes, hinter ihr gebuͤckt gehen, um
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und aus einer Felſengrotte zu ihren Fuͤßen, die
phantaſtiſchen Geſtalten der Traͤume hervorbli-
cken, iſt von dem neuern Kuͤnſtler, der die Um-
riſſe zu dieſem Werk gezeichnet, nach einer Be-
ſchreibung des Pauſanias entworfen.
Pauſanias erzaͤhlt nemlich, daß er auf dem
Kaſten des Cypſelus auf der einen Seite deſſelben,
die Nacht in weiblicher Geſtalt abgebildet geſehen,
wie ſie zwei Knaben mit verſchraͤnkten, oder uͤber
einander geſchlagenen Fuͤßen in ihren beiden Armen
hielt, wovon der eine weiß, der andre ſchwarz
war; der eine ſchlief, der andere zu ſchlafen
ſchien.
In der hier beigefuͤgten Abbildung iſt der
Tod durch eine umgekehrte Fackel und der Schlaf
durch einen Mohnſtengel bezeichnet. Die Nacht
ſelbſt iſt, als die fruchtbare Gebaͤhrerin aller Din-
ge in jugendlicher Kraft und Schoͤnheit dargeſtellt.
So iſt ſie auch auf einer antiken Gemme, de-
ren Umriß ebenfalls hier beigefuͤgt iſt, abgebildet,
wie ſie unter dem umſchattenden Wipfel eines
Baumes, dem Morpheus und ſeinen Bruͤdern
Mohn austheilet. Der bildende Traumgott Mor-
pheus, ein Sohn des Schlafs, ſteht in ſchoͤner
jugendlicher Geſtalt vor ihr, und empfaͤngt den
Mohn aus ihren Haͤnden, indeß die Bruͤder des
Morpheus, ebenfals Goͤtter der Traͤume und Kin-
der des Schlafes, hinter ihr gebuͤckt gehen, um
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/68>, abgerufen am 23.11.2024.
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