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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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Zukunft benahm, damit sie unvermeidliche Uebel
nicht voraus sehen möchten.

Dem Jupiter also gleichsam zum Trotz suchte
Prometheus seine Menschenschöpfung und Men-
schenbildung zu vollenden, ob er gleich selber wuß-
te, daß er dereinst schrecklich würde dafür büßen
müssen. -- Dieß ungleiche Verhältniß der Men-
schen zu den herrschenden Göttern gab nachher den
Stoff zu den tragischen Dichtungen, deren Geist
in den folgenden Zeilen athmet, worin ein Dich-
ter unserer Zeiten den Prometheus, im Nahmen
der Menschen, deren Jammer er in seinem
Busen trägt,
redend einführt.

Prometheus.

Bedecke deinen Himmel, Zevs,
Mit Wolkendunst,
Und übe, dem Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn;
Mußt mir meine Erde
Doch lassen stehn,
Und meine Hütte, die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um dessen Gluth
Du mich beneidest.
C 2

Zukunft benahm, damit ſie unvermeidliche Uebel
nicht voraus ſehen moͤchten.

Dem Jupiter alſo gleichſam zum Trotz ſuchte
Prometheus ſeine Menſchenſchoͤpfung und Men-
ſchenbildung zu vollenden, ob er gleich ſelber wuß-
te, daß er dereinſt ſchrecklich wuͤrde dafuͤr buͤßen
muͤſſen. — Dieß ungleiche Verhaͤltniß der Men-
ſchen zu den herrſchenden Goͤttern gab nachher den
Stoff zu den tragiſchen Dichtungen, deren Geiſt
in den folgenden Zeilen athmet, worin ein Dich-
ter unſerer Zeiten den Prometheus, im Nahmen
der Menſchen, deren Jammer er in ſeinem
Buſen traͤgt,
redend einfuͤhrt.

Prometheus.

Bedecke deinen Himmel, Zevs,
Mit Wolkendunſt,
Und uͤbe, dem Knaben gleich,
Der Diſteln koͤpft,
An Eichen dich und Bergeshoͤhn;
Mußt mir meine Erde
Doch laſſen ſtehn,
Und meine Huͤtte, die du nicht gebaut,
Und meinen Herd,
Um deſſen Gluth
Du mich beneideſt.
C 2
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[35/0057] Zukunft benahm, damit ſie unvermeidliche Uebel nicht voraus ſehen moͤchten. Dem Jupiter alſo gleichſam zum Trotz ſuchte Prometheus ſeine Menſchenſchoͤpfung und Men- ſchenbildung zu vollenden, ob er gleich ſelber wuß- te, daß er dereinſt ſchrecklich wuͤrde dafuͤr buͤßen muͤſſen. — Dieß ungleiche Verhaͤltniß der Men- ſchen zu den herrſchenden Goͤttern gab nachher den Stoff zu den tragiſchen Dichtungen, deren Geiſt in den folgenden Zeilen athmet, worin ein Dich- ter unſerer Zeiten den Prometheus, im Nahmen der Menſchen, deren Jammer er in ſeinem Buſen traͤgt, redend einfuͤhrt. Prometheus. Bedecke deinen Himmel, Zevs, Mit Wolkendunſt, Und uͤbe, dem Knaben gleich, Der Diſteln koͤpft, An Eichen dich und Bergeshoͤhn; Mußt mir meine Erde Doch laſſen ſtehn, Und meine Huͤtte, die du nicht gebaut, Und meinen Herd, Um deſſen Gluth Du mich beneideſt. C 2

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/57>, abgerufen am 01.05.2024.