Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Sinn blieb unbeweglich. Bis endlich die Troja-
ner soweit vordrangen, daß sie Feuer in die grie-
chischen Schiffe warfen; da gab Achilles seinem
Busenfreunde, dem Patroklus, seine Rüstung,
und schickte ihn statt seiner mit einem Haufen,
den Griechen beizustehn.

Des Patroklus Fall war schon beschlossen; al-
lein vorher erwarb er sich noch glänzenden Ruhm;
Sarpedon, Jupiters Erzeugter, und viel andre
tapfre Helden fielen vor seinem Schwerdte. -- Als
aber sein Verhängniß nahte, so stand in Nacht
gehüllt, Apollo dicht hinter ihm. -- Auf Nacken
und Schultern schlug er ihn mit der flachen Hand,
daß sich sein Auge verdunkelte; er warf seinen
Helm ihm vom Haupte, daß er unter den Füßen
der Pferde rollte; in seiner Hand zerbrach er den
schweren ehernen Spieß, und lößte ihm selber den
Panzer auf. -- Patroklus stand betäubt mit wan-
kendem Knie; Hektor gab ihm den tödtlichen
Stoß. Die Seele des Patroklus stieg zum Orkus,
und trauerte über ihr Schicksal, weil sie die
jugendliche Kraft zurückließ.

Als nun Achilles des Patroklus Tod vernahm,
so schwand auf einmal sein Zorn dahin. -- Jam-
mernd und wehklagend um den Todten, fand ihn
seine Mutter, die aus der Tiefe des Meeres em-
porstieg. Ob diese ihm gleich verkündigte, daß
nach des Hektors Tode sein Fall beschlossen sey,

Sinn blieb unbeweglich. Bis endlich die Troja-
ner ſoweit vordrangen, daß ſie Feuer in die grie-
chiſchen Schiffe warfen; da gab Achilles ſeinem
Buſenfreunde, dem Patroklus, ſeine Ruͤſtung,
und ſchickte ihn ſtatt ſeiner mit einem Haufen,
den Griechen beizuſtehn.

Des Patroklus Fall war ſchon beſchloſſen; al-
lein vorher erwarb er ſich noch glaͤnzenden Ruhm;
Sarpedon, Jupiters Erzeugter, und viel andre
tapfre Helden fielen vor ſeinem Schwerdte. — Als
aber ſein Verhaͤngniß nahte, ſo ſtand in Nacht
gehuͤllt, Apollo dicht hinter ihm. — Auf Nacken
und Schultern ſchlug er ihn mit der flachen Hand,
daß ſich ſein Auge verdunkelte; er warf ſeinen
Helm ihm vom Haupte, daß er unter den Fuͤßen
der Pferde rollte; in ſeiner Hand zerbrach er den
ſchweren ehernen Spieß, und loͤßte ihm ſelber den
Panzer auf. — Patroklus ſtand betaͤubt mit wan-
kendem Knie; Hektor gab ihm den toͤdtlichen
Stoß. Die Seele des Patroklus ſtieg zum Orkus,
und trauerte uͤber ihr Schickſal, weil ſie die
jugendliche Kraft zuruͤckließ.

Als nun Achilles des Patroklus Tod vernahm,
ſo ſchwand auf einmal ſein Zorn dahin. — Jam-
mernd und wehklagend um den Todten, fand ihn
ſeine Mutter, die aus der Tiefe des Meeres em-
porſtieg. Ob dieſe ihm gleich verkuͤndigte, daß
nach des Hektors Tode ſein Fall beſchloſſen ſey,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0448" n="376"/>
Sinn blieb unbeweglich. Bis endlich die Troja-<lb/>
ner &#x017F;oweit vordrangen, daß &#x017F;ie Feuer in die grie-<lb/>
chi&#x017F;chen Schiffe warfen; da gab Achilles &#x017F;einem<lb/>
Bu&#x017F;enfreunde, dem <hi rendition="#fr">Patroklus,</hi> &#x017F;eine Ru&#x0364;&#x017F;tung,<lb/>
und &#x017F;chickte ihn &#x017F;tatt &#x017F;einer mit einem Haufen,<lb/>
den Griechen beizu&#x017F;tehn.</p><lb/>
          <p>Des Patroklus Fall war &#x017F;chon be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en; al-<lb/>
lein vorher erwarb er &#x017F;ich noch gla&#x0364;nzenden Ruhm;<lb/><hi rendition="#fr">Sarpedon,</hi> Jupiters Erzeugter, und viel andre<lb/>
tapfre Helden fielen vor &#x017F;einem Schwerdte. &#x2014; Als<lb/>
aber &#x017F;ein Verha&#x0364;ngniß nahte, &#x017F;o &#x017F;tand in Nacht<lb/>
gehu&#x0364;llt, Apollo dicht hinter ihm. &#x2014; Auf Nacken<lb/>
und Schultern &#x017F;chlug er ihn mit der flachen Hand,<lb/>
daß &#x017F;ich &#x017F;ein Auge verdunkelte; er warf &#x017F;einen<lb/>
Helm ihm vom Haupte, daß er unter den Fu&#x0364;ßen<lb/>
der Pferde rollte; in &#x017F;einer Hand zerbrach er den<lb/>
&#x017F;chweren ehernen Spieß, und lo&#x0364;ßte ihm &#x017F;elber den<lb/>
Panzer auf. &#x2014; Patroklus &#x017F;tand beta&#x0364;ubt mit wan-<lb/>
kendem Knie; Hektor gab ihm den to&#x0364;dtlichen<lb/>
Stoß. Die Seele des Patroklus &#x017F;tieg zum Orkus,<lb/><hi rendition="#fr">und trauerte u&#x0364;ber ihr Schick&#x017F;al, weil &#x017F;ie die<lb/>
jugendliche Kraft zuru&#x0364;ckließ.</hi></p><lb/>
          <p>Als nun Achilles des Patroklus Tod vernahm,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chwand auf einmal &#x017F;ein Zorn dahin. &#x2014; Jam-<lb/>
mernd und wehklagend um den Todten, fand ihn<lb/>
&#x017F;eine Mutter, die aus der Tiefe des Meeres em-<lb/>
por&#x017F;tieg. Ob die&#x017F;e ihm gleich verku&#x0364;ndigte, daß<lb/>
nach des Hektors Tode &#x017F;ein Fall be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ey,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[376/0448] Sinn blieb unbeweglich. Bis endlich die Troja- ner ſoweit vordrangen, daß ſie Feuer in die grie- chiſchen Schiffe warfen; da gab Achilles ſeinem Buſenfreunde, dem Patroklus, ſeine Ruͤſtung, und ſchickte ihn ſtatt ſeiner mit einem Haufen, den Griechen beizuſtehn. Des Patroklus Fall war ſchon beſchloſſen; al- lein vorher erwarb er ſich noch glaͤnzenden Ruhm; Sarpedon, Jupiters Erzeugter, und viel andre tapfre Helden fielen vor ſeinem Schwerdte. — Als aber ſein Verhaͤngniß nahte, ſo ſtand in Nacht gehuͤllt, Apollo dicht hinter ihm. — Auf Nacken und Schultern ſchlug er ihn mit der flachen Hand, daß ſich ſein Auge verdunkelte; er warf ſeinen Helm ihm vom Haupte, daß er unter den Fuͤßen der Pferde rollte; in ſeiner Hand zerbrach er den ſchweren ehernen Spieß, und loͤßte ihm ſelber den Panzer auf. — Patroklus ſtand betaͤubt mit wan- kendem Knie; Hektor gab ihm den toͤdtlichen Stoß. Die Seele des Patroklus ſtieg zum Orkus, und trauerte uͤber ihr Schickſal, weil ſie die jugendliche Kraft zuruͤckließ. Als nun Achilles des Patroklus Tod vernahm, ſo ſchwand auf einmal ſein Zorn dahin. — Jam- mernd und wehklagend um den Todten, fand ihn ſeine Mutter, die aus der Tiefe des Meeres em- porſtieg. Ob dieſe ihm gleich verkuͤndigte, daß nach des Hektors Tode ſein Fall beſchloſſen ſey,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/448
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 376. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/448>, abgerufen am 24.11.2024.