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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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Thyestes auf, welchem er nach genoßnem Mahle
Haupt und Hände entgegen warf. Die Sonne,
sagt die Dichtung, wandte schnell ihren Lauf zurück,
um diese Scene nicht zu beleuchten.

Ein neuer Dichter läßt Iphigenien, die auch
aus des Pelops Hause und Dianens Priesterin
war, dem Könige Thoas in Tauris, diese Gräuel
erzählen:

Schon Pelops, der gewaltig wollende,
Des Tantalus geliebter Sohn, erwarb
Sich durch Verrath und Mord das schönste Weib,
Des Oenomaus Tochter, Hippodamien.
Sie bringt den Wünschen des Gemahls zwei Söhne,
Thyest und Atreus. -- Neidisch sehen sie
Des Vaters Liebe zu dem ersten Sohn
Aus einem andern Bette, wachsend an.
Der Haß verbindet sie, und heimlich wagt
Das Paar im Brudermord die erste That.
Der Vater wähnet Hippodamien,
Die Mörderin, und grimmig fordert er
Von ihr den Sohn zurück, und sie entleibt
Sich selbst --
-- -- -- -- -- -- --
-- -- -- Nach ihres Vaters Tode,
Gebieten Atreus und Thyest der Stadt
Gemeinsam herrschend. Lange konnte nicht
Die Eintracht dauern. Bald entehrt Thyest
Des Bruders Bette. Rächend treibet Atreus

Thyeſtes auf, welchem er nach genoßnem Mahle
Haupt und Haͤnde entgegen warf. Die Sonne,
ſagt die Dichtung, wandte ſchnell ihren Lauf zuruͤck,
um dieſe Scene nicht zu beleuchten.

Ein neuer Dichter laͤßt Iphigenien, die auch
aus des Pelops Hauſe und Dianens Prieſterin
war, dem Koͤnige Thoas in Tauris, dieſe Graͤuel
erzaͤhlen:

Schon Pelops, der gewaltig wollende,
Des Tantalus geliebter Sohn, erwarb
Sich durch Verrath und Mord das ſchoͤnſte Weib,
Des Oenomaus Tochter, Hippodamien.
Sie bringt den Wuͤnſchen des Gemahls zwei Soͤhne,
Thyeſt und Atreus. — Neidiſch ſehen ſie
Des Vaters Liebe zu dem erſten Sohn
Aus einem andern Bette, wachſend an.
Der Haß verbindet ſie, und heimlich wagt
Das Paar im Brudermord die erſte That.
Der Vater waͤhnet Hippodamien,
Die Moͤrderin, und grimmig fordert er
Von ihr den Sohn zuruͤck, und ſie entleibt
Sich ſelbſt —
— — — — — — —
— — — Nach ihres Vaters Tode,
Gebieten Atreus und Thyeſt der Stadt
Gemeinſam herrſchend. Lange konnte nicht
Die Eintracht dauern. Bald entehrt Thyeſt
Des Bruders Bette. Raͤchend treibet Atreus
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[365/0437] Thyeſtes auf, welchem er nach genoßnem Mahle Haupt und Haͤnde entgegen warf. Die Sonne, ſagt die Dichtung, wandte ſchnell ihren Lauf zuruͤck, um dieſe Scene nicht zu beleuchten. Ein neuer Dichter laͤßt Iphigenien, die auch aus des Pelops Hauſe und Dianens Prieſterin war, dem Koͤnige Thoas in Tauris, dieſe Graͤuel erzaͤhlen: Schon Pelops, der gewaltig wollende, Des Tantalus geliebter Sohn, erwarb Sich durch Verrath und Mord das ſchoͤnſte Weib, Des Oenomaus Tochter, Hippodamien. Sie bringt den Wuͤnſchen des Gemahls zwei Soͤhne, Thyeſt und Atreus. — Neidiſch ſehen ſie Des Vaters Liebe zu dem erſten Sohn Aus einem andern Bette, wachſend an. Der Haß verbindet ſie, und heimlich wagt Das Paar im Brudermord die erſte That. Der Vater waͤhnet Hippodamien, Die Moͤrderin, und grimmig fordert er Von ihr den Sohn zuruͤck, und ſie entleibt Sich ſelbſt — — — — — — — — — — — Nach ihres Vaters Tode, Gebieten Atreus und Thyeſt der Stadt Gemeinſam herrſchend. Lange konnte nicht Die Eintracht dauern. Bald entehrt Thyeſt Des Bruders Bette. Raͤchend treibet Atreus

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/437>, abgerufen am 09.05.2024.