lung unterscheiden. -- Urania zeichnet durch ihren gen Himmel erhobnen Blick sich aus.
Indeß sind alle diese Darstellungen bei den Alten mehr willkürlich gewesen. -- Die vielfache Zahl der Musen bezeichnete die Harmonie der schö- nen Künste, welche verschwistert Hand in Hand gehen, und nie zu scharf eine von der andern ab- gesondert werden müssen. So stellt auch in den Abbildungen der Alten eine jede einzelne Muse gleichsam die übrigen in sich dar; und erst in neu- ern Zeiten hat man mit pedantischer Genauigkeit einer jeden Muse ihr eignes bestimmtes Geschäft anzuweisen gesucht.
Die Einbildungskraft der Alten ließ sich hier- bei freien Spielraum. -- Man sieht auf alten Marmorsärgen die versammleten Musen auf mehr als einerlei Art, und in abwechselnden Stellungen abgebildet. -- Ein Gemählde in den Herkulani- schen Alterthümern, ist das einzige, welches die neun Musen ganz genau voneinander unterschieden dar- stellt, weil unter der Abbildung einer jeden auch ihr Nahme befindlich ist. -- Es scheint aber, als habe dieser Künstler eben deswegen zu der Unter- schrift der Nahmen seine Zuflucht nehmen müssen, weil er selbst die äußern Merkmale seiner Musen, auch nach den damaligen Begriffen, nicht genug unterscheidend und bezeichnend fand.
lung unterſcheiden. — Urania zeichnet durch ihren gen Himmel erhobnen Blick ſich aus.
Indeß ſind alle dieſe Darſtellungen bei den Alten mehr willkuͤrlich geweſen. — Die vielfache Zahl der Muſen bezeichnete die Harmonie der ſchoͤ- nen Kuͤnſte, welche verſchwiſtert Hand in Hand gehen, und nie zu ſcharf eine von der andern ab- geſondert werden muͤſſen. So ſtellt auch in den Abbildungen der Alten eine jede einzelne Muſe gleichſam die uͤbrigen in ſich dar; und erſt in neu- ern Zeiten hat man mit pedantiſcher Genauigkeit einer jeden Muſe ihr eignes beſtimmtes Geſchaͤft anzuweiſen geſucht.
Die Einbildungskraft der Alten ließ ſich hier- bei freien Spielraum. — Man ſieht auf alten Marmorſaͤrgen die verſammleten Muſen auf mehr als einerlei Art, und in abwechſelnden Stellungen abgebildet. — Ein Gemaͤhlde in den Herkulani- ſchen Alterthuͤmern, iſt das einzige, welches die neun Muſen ganz genau voneinander unterſchieden dar- ſtellt, weil unter der Abbildung einer jeden auch ihr Nahme befindlich iſt. — Es ſcheint aber, als habe dieſer Kuͤnſtler eben deswegen zu der Unter- ſchrift der Nahmen ſeine Zuflucht nehmen muͤſſen, weil er ſelbſt die aͤußern Merkmale ſeiner Muſen, auch nach den damaligen Begriffen, nicht genug unterſcheidend und bezeichnend fand.
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lung unterſcheiden. — Urania zeichnet durch ihren
gen Himmel erhobnen Blick ſich aus.
Indeß ſind alle dieſe Darſtellungen bei den
Alten mehr willkuͤrlich geweſen. — Die vielfache
Zahl der Muſen bezeichnete die Harmonie der ſchoͤ-
nen Kuͤnſte, welche verſchwiſtert Hand in Hand
gehen, und nie zu ſcharf eine von der andern ab-
geſondert werden muͤſſen. So ſtellt auch in den
Abbildungen der Alten eine jede einzelne Muſe
gleichſam die uͤbrigen in ſich dar; und erſt in neu-
ern Zeiten hat man mit pedantiſcher Genauigkeit
einer jeden Muſe ihr eignes beſtimmtes Geſchaͤft
anzuweiſen geſucht.
Die Einbildungskraft der Alten ließ ſich hier-
bei freien Spielraum. — Man ſieht auf alten
Marmorſaͤrgen die verſammleten Muſen auf mehr
als einerlei Art, und in abwechſelnden Stellungen
abgebildet. — Ein Gemaͤhlde in den Herkulani-
ſchen Alterthuͤmern, iſt das einzige, welches die neun
Muſen ganz genau voneinander unterſchieden dar-
ſtellt, weil unter der Abbildung einer jeden auch
ihr Nahme befindlich iſt. — Es ſcheint aber, als
habe dieſer Kuͤnſtler eben deswegen zu der Unter-
ſchrift der Nahmen ſeine Zuflucht nehmen muͤſſen,
weil er ſelbſt die aͤußern Merkmale ſeiner Muſen,
auch nach den damaligen Begriffen, nicht genug
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/366>, abgerufen am 09.05.2024.
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