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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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dieser mußte in Fels verwandelt für seinen feigen
Argwohn büßen.

Da nun Perseus erfuhr, daß sein Ahnherr
Akrisius vom Prötus seines Königreichs beraubt
sey, so eilte er großmüthig, statt sich zu rächen,
mit seiner Mutter und seiner Vermählten nach
Griechenland, um den Akrisius in sein Reich wie-
der einzusetzen.

Er überwand und tödtete den Prötus, und
übergab dem Akrisius wieder die königliche Würde,
der nun in seinem gefürchteten Enkel, seinen
Freund und Wohlthäter, voll Dank und Freude
umarmte.

Allein der tragische Ausgang lauerte dennoch
im Hinterhalte; das Schicksal, welches mit den
Hofnungen der Menschen spielt, hatte bei diesem
verführerischen Anschein, die alte Drohung noch
nicht zurückgenommen.

Perseus, welcher wußte, wie sehr Akrisius
an der Geschicklichkeit seines Enkels in jeder Leibes-
übung sich ergötzte, wollte ihm eines Tages von
seiner Fertigkeit eine Probe ablegen. -- Die un-
glückseelige Wurfscheibe fuhr aus der starken Hand,
und flog, wie vom bösen Dämon gelenkt, dem
Akrisius an das Haupt, der todt darnieder sank.

Hierüber brachte Perseus seine übrigen Tage
in Schwermuth zu, indem er unverschuldet sich

O

dieſer mußte in Fels verwandelt fuͤr ſeinen feigen
Argwohn buͤßen.

Da nun Perſeus erfuhr, daß ſein Ahnherr
Akriſius vom Proͤtus ſeines Koͤnigreichs beraubt
ſey, ſo eilte er großmuͤthig, ſtatt ſich zu raͤchen,
mit ſeiner Mutter und ſeiner Vermaͤhlten nach
Griechenland, um den Akriſius in ſein Reich wie-
der einzuſetzen.

Er uͤberwand und toͤdtete den Proͤtus, und
uͤbergab dem Akriſius wieder die koͤnigliche Wuͤrde,
der nun in ſeinem gefuͤrchteten Enkel, ſeinen
Freund und Wohlthaͤter, voll Dank und Freude
umarmte.

Allein der tragiſche Ausgang lauerte dennoch
im Hinterhalte; das Schickſal, welches mit den
Hofnungen der Menſchen ſpielt, hatte bei dieſem
verfuͤhreriſchen Anſchein, die alte Drohung noch
nicht zuruͤckgenommen.

Perſeus, welcher wußte, wie ſehr Akriſius
an der Geſchicklichkeit ſeines Enkels in jeder Leibes-
uͤbung ſich ergoͤtzte, wollte ihm eines Tages von
ſeiner Fertigkeit eine Probe ablegen. — Die un-
gluͤckſeelige Wurfſcheibe fuhr aus der ſtarken Hand,
und flog, wie vom boͤſen Daͤmon gelenkt, dem
Akriſius an das Haupt, der todt darnieder ſank.

Hieruͤber brachte Perſeus ſeine uͤbrigen Tage
in Schwermuth zu, indem er unverſchuldet ſich

O
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[209/0257] dieſer mußte in Fels verwandelt fuͤr ſeinen feigen Argwohn buͤßen. Da nun Perſeus erfuhr, daß ſein Ahnherr Akriſius vom Proͤtus ſeines Koͤnigreichs beraubt ſey, ſo eilte er großmuͤthig, ſtatt ſich zu raͤchen, mit ſeiner Mutter und ſeiner Vermaͤhlten nach Griechenland, um den Akriſius in ſein Reich wie- der einzuſetzen. Er uͤberwand und toͤdtete den Proͤtus, und uͤbergab dem Akriſius wieder die koͤnigliche Wuͤrde, der nun in ſeinem gefuͤrchteten Enkel, ſeinen Freund und Wohlthaͤter, voll Dank und Freude umarmte. Allein der tragiſche Ausgang lauerte dennoch im Hinterhalte; das Schickſal, welches mit den Hofnungen der Menſchen ſpielt, hatte bei dieſem verfuͤhreriſchen Anſchein, die alte Drohung noch nicht zuruͤckgenommen. Perſeus, welcher wußte, wie ſehr Akriſius an der Geſchicklichkeit ſeines Enkels in jeder Leibes- uͤbung ſich ergoͤtzte, wollte ihm eines Tages von ſeiner Fertigkeit eine Probe ablegen. — Die un- gluͤckſeelige Wurfſcheibe fuhr aus der ſtarken Hand, und flog, wie vom boͤſen Daͤmon gelenkt, dem Akriſius an das Haupt, der todt darnieder ſank. Hieruͤber brachte Perſeus ſeine uͤbrigen Tage in Schwermuth zu, indem er unverſchuldet ſich O

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/257>, abgerufen am 24.11.2024.