Hektor, sagt er, ergriff einen Stein, den zwei der stärksten Männer zu unsern Zeiten nur mit Mühe vom Boden auf den Wagen zu heben vermöchten, -- den schleuderte Hektor mit leichter Mühe gegen das Thor der griechischen Mauer, daß mit einemmale die Thüren aus ihren Angeln sprangen.
Die Menschen, welche zuerst vom Prome- theus aus Thon gebildet, den herrschenden Göt- tern verhaßt, des Feuers beraubt, durch mehrere Ueberschwemmungen bis auf wenige vertilgt wur- den, und da sich dennoch ihr Geschlecht fort- pflanzte, Jahrhunderte hindurch in dumpfer Be- täubung gleich den Thieren des Feldes lebten, arbeiteten sich allmälig aus diesem dumpfen Zu- stande durch eigne Anstrengung heraus, und wurden durch edles Selbstbewußtseyn und durch die Anwendung ihrer inwohnenden Kräfte den unsterblichen Göttern ähnlich. --
Die Menschheit lernte in den Götterähnlichen Helden, die aus ihr entstammten, sich selber schätzen, und ihren eigenen Werth verehren. -- Auch wurde nun die Gottheit gleichsam den Men- schen wieder versöhnt. -- Die Götter nahmen an den Begebenheiten und Schicksalen der Menschen immer nähern Antheil. -- Das Göttliche und Menschliche rückte in der Einbildungskraft immer näher zusammen, bis endlich in dem Kriege vor
Hektor, ſagt er, ergriff einen Stein, den zwei der ſtaͤrkſten Maͤnner zu unſern Zeiten nur mit Muͤhe vom Boden auf den Wagen zu heben vermoͤchten, — den ſchleuderte Hektor mit leichter Muͤhe gegen das Thor der griechiſchen Mauer, daß mit einemmale die Thuͤren aus ihren Angeln ſprangen.
Die Menſchen, welche zuerſt vom Prome- theus aus Thon gebildet, den herrſchenden Goͤt- tern verhaßt, des Feuers beraubt, durch mehrere Ueberſchwemmungen bis auf wenige vertilgt wur- den, und da ſich dennoch ihr Geſchlecht fort- pflanzte, Jahrhunderte hindurch in dumpfer Be- taͤubung gleich den Thieren des Feldes lebten, arbeiteten ſich allmaͤlig aus dieſem dumpfen Zu- ſtande durch eigne Anſtrengung heraus, und wurden durch edles Selbſtbewußtſeyn und durch die Anwendung ihrer inwohnenden Kraͤfte den unſterblichen Goͤttern aͤhnlich. —
Die Menſchheit lernte in den Goͤtteraͤhnlichen Helden, die aus ihr entſtammten, ſich ſelber ſchaͤtzen, und ihren eigenen Werth verehren. — Auch wurde nun die Gottheit gleichſam den Men- ſchen wieder verſoͤhnt. — Die Goͤtter nahmen an den Begebenheiten und Schickſalen der Menſchen immer naͤhern Antheil. — Das Goͤttliche und Menſchliche ruͤckte in der Einbildungskraft immer naͤher zuſammen, bis endlich in dem Kriege vor
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Hektor, ſagt er, ergriff einen Stein, den
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mit Muͤhe vom Boden auf den Wagen zu heben
vermoͤchten, — den ſchleuderte Hektor mit leichter
Muͤhe gegen das Thor der griechiſchen Mauer,
daß mit einemmale die Thuͤren aus ihren Angeln
ſprangen.
Die Menſchen, welche zuerſt vom Prome-
theus aus Thon gebildet, den herrſchenden Goͤt-
tern verhaßt, des Feuers beraubt, durch mehrere
Ueberſchwemmungen bis auf wenige vertilgt wur-
den, und da ſich dennoch ihr Geſchlecht fort-
pflanzte, Jahrhunderte hindurch in dumpfer Be-
taͤubung gleich den Thieren des Feldes lebten,
arbeiteten ſich allmaͤlig aus dieſem dumpfen Zu-
ſtande durch eigne Anſtrengung heraus, und
wurden durch edles Selbſtbewußtſeyn und durch
die Anwendung ihrer inwohnenden Kraͤfte den
unſterblichen Goͤttern aͤhnlich. —
Die Menſchheit lernte in den Goͤtteraͤhnlichen
Helden, die aus ihr entſtammten, ſich ſelber
ſchaͤtzen, und ihren eigenen Werth verehren. —
Auch wurde nun die Gottheit gleichſam den Men-
ſchen wieder verſoͤhnt. — Die Goͤtter nahmen an
den Begebenheiten und Schickſalen der Menſchen
immer naͤhern Antheil. — Das Goͤttliche und
Menſchliche ruͤckte in der Einbildungskraft immer
naͤher zuſammen, bis endlich in dem Kriege vor
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/249>, abgerufen am 22.11.2024.
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