seln und Länder streiten sich um den Vorzug, die wohlthätige Gottheit, welche die Menschen den Weinbau lehrte, in ihrem Schooße gepflegt zu haben.
Als Knaben stellen die Dichtungen den Bachus dar, wie er gleichsam halb in süßem Schlummer taumelnd, noch nicht die ganze Fülle seines We- sens faßt, und vor den Beleidigungen der Men- schen furchtsam scheint, -- bis sich auf einmal durch wunderbare Ereignisse seine furchtbare Macht entdeckt.
Lykurgus, ein König in Thracien, verfolgte die Pflegerinnen des Bachus auf dem Berge Nysa und verwundete sie mit seinem Beile. -- Bachus selber warf sich vor Schrecken ins Meer, wo ihn die Thetis in ihre Arme aufnahm, die ehemals auch den Vulkan bei sich verbarg, als Jupiter ihn vom Himmel geschleudert hatte. -- Lykurgus aber wurde für seinen Frevel von den Göttern mit Blindheit bestraft, und lebte nicht lange mehr, denn er war den unsterblichen Göttern ver- haßt. --
Als Seeräuber einst den Bachus, den sie für den Sohn eines Königs hielten, in Hofnung eines kostbaren Lösegelds, entführen und binden woll- ten, so fielen dem lächelnden Knaben die Banden von selber ab; und da sie dennoch seine Gottheit nicht erkannten, so ergoß sich erst ein duftender
ſeln und Laͤnder ſtreiten ſich um den Vorzug, die wohlthaͤtige Gottheit, welche die Menſchen den Weinbau lehrte, in ihrem Schooße gepflegt zu haben.
Als Knaben ſtellen die Dichtungen den Bachus dar, wie er gleichſam halb in ſuͤßem Schlummer taumelnd, noch nicht die ganze Fuͤlle ſeines We- ſens faßt, und vor den Beleidigungen der Men- ſchen furchtſam ſcheint, — bis ſich auf einmal durch wunderbare Ereigniſſe ſeine furchtbare Macht entdeckt.
Lykurgus, ein Koͤnig in Thracien, verfolgte die Pflegerinnen des Bachus auf dem Berge Nyſa und verwundete ſie mit ſeinem Beile. — Bachus ſelber warf ſich vor Schrecken ins Meer, wo ihn die Thetis in ihre Arme aufnahm, die ehemals auch den Vulkan bei ſich verbarg, als Jupiter ihn vom Himmel geſchleudert hatte. — Lykurgus aber wurde fuͤr ſeinen Frevel von den Goͤttern mit Blindheit beſtraft, und lebte nicht lange mehr, denn er war den unſterblichen Goͤttern ver- haßt. —
Als Seeraͤuber einſt den Bachus, den ſie fuͤr den Sohn eines Koͤnigs hielten, in Hofnung eines koſtbaren Loͤſegelds, entfuͤhren und binden woll- ten, ſo fielen dem laͤchelnden Knaben die Banden von ſelber ab; und da ſie dennoch ſeine Gottheit nicht erkannten, ſo ergoß ſich erſt ein duftender
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ſeln und Laͤnder ſtreiten ſich um den Vorzug, die
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Weinbau lehrte, in ihrem Schooße gepflegt zu
haben.
Als Knaben ſtellen die Dichtungen den Bachus
dar, wie er gleichſam halb in ſuͤßem Schlummer
taumelnd, noch nicht die ganze Fuͤlle ſeines We-
ſens faßt, und vor den Beleidigungen der Men-
ſchen furchtſam ſcheint, — bis ſich auf einmal
durch wunderbare Ereigniſſe ſeine furchtbare Macht
entdeckt.
Lykurgus, ein Koͤnig in Thracien, verfolgte
die Pflegerinnen des Bachus auf dem Berge Nyſa
und verwundete ſie mit ſeinem Beile. — Bachus
ſelber warf ſich vor Schrecken ins Meer, wo ihn
die Thetis in ihre Arme aufnahm, die ehemals
auch den Vulkan bei ſich verbarg, als Jupiter
ihn vom Himmel geſchleudert hatte. — Lykurgus
aber wurde fuͤr ſeinen Frevel von den Goͤttern mit
Blindheit beſtraft, und lebte nicht lange mehr,
denn er war den unſterblichen Goͤttern ver-
haßt. —
Als Seeraͤuber einſt den Bachus, den ſie fuͤr
den Sohn eines Koͤnigs hielten, in Hofnung eines
koſtbaren Loͤſegelds, entfuͤhren und binden woll-
ten, ſo fielen dem laͤchelnden Knaben die Banden
von ſelber ab; und da ſie dennoch ſeine Gottheit
nicht erkannten, ſo ergoß ſich erſt ein duftender
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/215>, abgerufen am 24.11.2024.
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