auf ihrem Schooße in Flammen hüllte, um alles Sterbliche an ihm zu tilgen; bis durch den unge- stümen Schrei, und durch die unzeitige Furcht der Mutter, welche die Ceres einst bei diesem Geschäft belauschte, auch dieser Wunsch der Göttin verei- telt ward.
Dennoch setzte sie ihrer Wohlthätigkeit keine Schranken; sie gab dem Triptolemus des Ce- leus älterm Sohne, einen Wagen mit fliegenden Drachen bespannt, und schenkte ihm den edlen Waizen, daß er ihn auf der ganzen Erde mit vol- len Händen ausstreuen, und Seegen allenthalben seine Spur begleiten sollte.
Endlich entdeckte nun auch der Ceres die all- sehende Sonne den Aufenthalt ihrer Tochter, -- da forderte sie die gewaltsam Geraubte zürnend vom Orkus wieder, -- und Jupiter selber bewil- ligte Proserpinens Rückkehr, unter der Bedin- gung, daß von der Kost in Plutos Reiche ihre Lippe noch unberührt sey.
Proserpina aber hatte dem Reitz nicht wider- standen, aus einem Granatapfel einige Körner zu verzehren, -- nun war sie dem Orkus eigen, und konnte keine Rückkehr hoffen.
Dennoch bewirkte ihre mächtige Mutter, daß sie nur einen Theil des Jahres beim Pluto ver- weilen durfte, den andern aber wieder auf der Oberwelt des himmlischen Lichts genösse, damit
auf ihrem Schooße in Flammen huͤllte, um alles Sterbliche an ihm zu tilgen; bis durch den unge- ſtuͤmen Schrei, und durch die unzeitige Furcht der Mutter, welche die Ceres einſt bei dieſem Geſchaͤft belauſchte, auch dieſer Wunſch der Goͤttin verei- telt ward.
Dennoch ſetzte ſie ihrer Wohlthaͤtigkeit keine Schranken; ſie gab dem Triptolemus des Ce- leus aͤlterm Sohne, einen Wagen mit fliegenden Drachen beſpannt, und ſchenkte ihm den edlen Waizen, daß er ihn auf der ganzen Erde mit vol- len Haͤnden ausſtreuen, und Seegen allenthalben ſeine Spur begleiten ſollte.
Endlich entdeckte nun auch der Ceres die all- ſehende Sonne den Aufenthalt ihrer Tochter, — da forderte ſie die gewaltſam Geraubte zuͤrnend vom Orkus wieder, — und Jupiter ſelber bewil- ligte Proſerpinens Ruͤckkehr, unter der Bedin- gung, daß von der Koſt in Plutos Reiche ihre Lippe noch unberuͤhrt ſey.
Proſerpina aber hatte dem Reitz nicht wider- ſtanden, aus einem Granatapfel einige Koͤrner zu verzehren, — nun war ſie dem Orkus eigen, und konnte keine Ruͤckkehr hoffen.
Dennoch bewirkte ihre maͤchtige Mutter, daß ſie nur einen Theil des Jahres beim Pluto ver- weilen durfte, den andern aber wieder auf der Oberwelt des himmliſchen Lichts genoͤſſe, damit
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auf ihrem Schooße in Flammen huͤllte, um alles
Sterbliche an ihm zu tilgen; bis durch den unge-
ſtuͤmen Schrei, und durch die unzeitige Furcht der
Mutter, welche die Ceres einſt bei dieſem Geſchaͤft
belauſchte, auch dieſer Wunſch der Goͤttin verei-
telt ward.
Dennoch ſetzte ſie ihrer Wohlthaͤtigkeit keine
Schranken; ſie gab dem Triptolemus des Ce-
leus aͤlterm Sohne, einen Wagen mit fliegenden
Drachen beſpannt, und ſchenkte ihm den edlen
Waizen, daß er ihn auf der ganzen Erde mit vol-
len Haͤnden ausſtreuen, und Seegen allenthalben
ſeine Spur begleiten ſollte.
Endlich entdeckte nun auch der Ceres die all-
ſehende Sonne den Aufenthalt ihrer Tochter, —
da forderte ſie die gewaltſam Geraubte zuͤrnend
vom Orkus wieder, — und Jupiter ſelber bewil-
ligte Proſerpinens Ruͤckkehr, unter der Bedin-
gung, daß von der Koſt in Plutos Reiche ihre
Lippe noch unberuͤhrt ſey.
Proſerpina aber hatte dem Reitz nicht wider-
ſtanden, aus einem Granatapfel einige Koͤrner zu
verzehren, — nun war ſie dem Orkus eigen, und
konnte keine Ruͤckkehr hoffen.
Dennoch bewirkte ihre maͤchtige Mutter, daß
ſie nur einen Theil des Jahres beim Pluto ver-
weilen durfte, den andern aber wieder auf der
Oberwelt des himmliſchen Lichts genoͤſſe, damit
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/182>, abgerufen am 26.11.2024.
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