Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

sich ihr Gesicht entstellte, so warf sie die Flöte
weg, die Marsyas nachher zu seinem Unglück
fand.

Auch war sie, gleich der Juno, eifersüchtig,
daß Venus den goldnen Apfel, als den Preis der
Schönheit, aus Paris Hand erhielt. Sie ruhte
gleich der Juno nicht eher, bis Troja in Flam-
men stand, des Priamus Geschlecht vertilgt, und
ihre Rache befriedigt war. -- Die Götterbildung
wird menschenähnlich, und stellt die Rachsucht
selbst, wegen der Macht, mit der sie ausgeübt
wird, in hoher dichterischer Schönheit dar.

Eine einfache und schöne Darstellung der Mi-
nerva im Brustbilde, nach einem antiken geschnitt-
nen Steine aus der Lippertschen Daktyliothek, befin-
det sich auf der hier beigefügten Kupfertafel; und
darunter das Haupt der Medusa, wie es die Alten
gebildet haben, so daß es groß in seinen Zügen und
schrecklich, dennoch schön ist. --

Dieß Haupt, vom Körper abgesondert, macht
in seinen großen Zügen gleichsam für sich ein Gan-
zes aus, und stellt sich wie eine furchtbare Erschei-
nung dar; -- so fürchtet Ulysses in der Unterwelt
als sich die Schatten schaarenweise zu ihm drän-
gen, daß Proserpina endlich das Haupt der
Gorgo
ihm entgegen senden möchte, und eilet,
dem tödtlichen Anblick zu entfliehen.

ſich ihr Geſicht entſtellte, ſo warf ſie die Floͤte
weg, die Marſyas nachher zu ſeinem Ungluͤck
fand.

Auch war ſie, gleich der Juno, eiferſuͤchtig,
daß Venus den goldnen Apfel, als den Preis der
Schoͤnheit, aus Paris Hand erhielt. Sie ruhte
gleich der Juno nicht eher, bis Troja in Flam-
men ſtand, des Priamus Geſchlecht vertilgt, und
ihre Rache befriedigt war. — Die Goͤtterbildung
wird menſchenaͤhnlich, und ſtellt die Rachſucht
ſelbſt, wegen der Macht, mit der ſie ausgeuͤbt
wird, in hoher dichteriſcher Schoͤnheit dar.

Eine einfache und ſchoͤne Darſtellung der Mi-
nerva im Bruſtbilde, nach einem antiken geſchnitt-
nen Steine aus der Lippertſchen Daktyliothek, befin-
det ſich auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel; und
darunter das Haupt der Meduſa, wie es die Alten
gebildet haben, ſo daß es groß in ſeinen Zuͤgen und
ſchrecklich, dennoch ſchoͤn iſt. —

Dieß Haupt, vom Koͤrper abgeſondert, macht
in ſeinen großen Zuͤgen gleichſam fuͤr ſich ein Gan-
zes aus, und ſtellt ſich wie eine furchtbare Erſchei-
nung dar; — ſo fuͤrchtet Ulyſſes in der Unterwelt
als ſich die Schatten ſchaarenweiſe zu ihm draͤn-
gen, daß Proſerpina endlich das Haupt der
Gorgo
ihm entgegen ſenden moͤchte, und eilet,
dem toͤdtlichen Anblick zu entfliehen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0160" n="126"/>
&#x017F;ich ihr Ge&#x017F;icht ent&#x017F;tellte, &#x017F;o warf &#x017F;ie die Flo&#x0364;te<lb/>
weg, die Mar&#x017F;yas nachher zu &#x017F;einem Unglu&#x0364;ck<lb/>
fand.</p><lb/>
          <p>Auch war &#x017F;ie, gleich der Juno, eifer&#x017F;u&#x0364;chtig,<lb/>
daß Venus den goldnen Apfel, als den Preis der<lb/>
Scho&#x0364;nheit, aus Paris Hand erhielt. Sie ruhte<lb/>
gleich der Juno nicht eher, bis Troja in Flam-<lb/>
men &#x017F;tand, des Priamus Ge&#x017F;chlecht vertilgt, und<lb/>
ihre Rache befriedigt war. &#x2014; Die Go&#x0364;tterbildung<lb/>
wird men&#x017F;chena&#x0364;hnlich, und &#x017F;tellt die Rach&#x017F;ucht<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, wegen der <hi rendition="#fr">Macht,</hi> mit der &#x017F;ie ausgeu&#x0364;bt<lb/>
wird, in hoher <hi rendition="#fr">dichteri&#x017F;cher</hi> Scho&#x0364;nheit dar.</p><lb/>
          <p>Eine einfache und &#x017F;cho&#x0364;ne Dar&#x017F;tellung der Mi-<lb/>
nerva im Bru&#x017F;tbilde, nach einem antiken ge&#x017F;chnitt-<lb/>
nen Steine aus der Lippert&#x017F;chen Daktyliothek, befin-<lb/>
det &#x017F;ich auf der hier beigefu&#x0364;gten Kupfertafel; und<lb/>
darunter das Haupt der Medu&#x017F;a, wie es die Alten<lb/>
gebildet haben, &#x017F;o daß es groß in &#x017F;einen Zu&#x0364;gen und<lb/>
&#x017F;chrecklich, dennoch &#x017F;cho&#x0364;n i&#x017F;t. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Dieß Haupt, vom Ko&#x0364;rper abge&#x017F;ondert, macht<lb/>
in &#x017F;einen großen Zu&#x0364;gen gleich&#x017F;am fu&#x0364;r &#x017F;ich ein Gan-<lb/>
zes aus, und &#x017F;tellt &#x017F;ich wie eine furchtbare Er&#x017F;chei-<lb/>
nung dar; &#x2014; &#x017F;o fu&#x0364;rchtet Uly&#x017F;&#x017F;es in der Unterwelt<lb/>
als &#x017F;ich die Schatten &#x017F;chaarenwei&#x017F;e zu ihm dra&#x0364;n-<lb/>
gen, daß Pro&#x017F;erpina endlich das <hi rendition="#fr">Haupt der<lb/>
Gorgo</hi> ihm entgegen &#x017F;enden mo&#x0364;chte, und eilet,<lb/>
dem to&#x0364;dtlichen Anblick zu entfliehen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[126/0160] ſich ihr Geſicht entſtellte, ſo warf ſie die Floͤte weg, die Marſyas nachher zu ſeinem Ungluͤck fand. Auch war ſie, gleich der Juno, eiferſuͤchtig, daß Venus den goldnen Apfel, als den Preis der Schoͤnheit, aus Paris Hand erhielt. Sie ruhte gleich der Juno nicht eher, bis Troja in Flam- men ſtand, des Priamus Geſchlecht vertilgt, und ihre Rache befriedigt war. — Die Goͤtterbildung wird menſchenaͤhnlich, und ſtellt die Rachſucht ſelbſt, wegen der Macht, mit der ſie ausgeuͤbt wird, in hoher dichteriſcher Schoͤnheit dar. Eine einfache und ſchoͤne Darſtellung der Mi- nerva im Bruſtbilde, nach einem antiken geſchnitt- nen Steine aus der Lippertſchen Daktyliothek, befin- det ſich auf der hier beigefuͤgten Kupfertafel; und darunter das Haupt der Meduſa, wie es die Alten gebildet haben, ſo daß es groß in ſeinen Zuͤgen und ſchrecklich, dennoch ſchoͤn iſt. — Dieß Haupt, vom Koͤrper abgeſondert, macht in ſeinen großen Zuͤgen gleichſam fuͤr ſich ein Gan- zes aus, und ſtellt ſich wie eine furchtbare Erſchei- nung dar; — ſo fuͤrchtet Ulyſſes in der Unterwelt als ſich die Schatten ſchaarenweiſe zu ihm draͤn- gen, daß Proſerpina endlich das Haupt der Gorgo ihm entgegen ſenden moͤchte, und eilet, dem toͤdtlichen Anblick zu entfliehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/160
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/160>, abgerufen am 03.05.2024.