Jupiter, nachdem er schon lange die Titanen be- siegt, und die Giganten überwunden hat, noch oft den Glanz seiner Göttermacht verleidet.
In die Götterehe des Jupiter und der Juno trug die Dichtung auch die menschlichen Verhält- nisse hinüber, welche nach den Begriffen einer Gottheit des Verstandes freilich thöricht und lächerlich waren, aber nicht nach dem Begriff einer Gottheit der Phantasie, deren nachahmende Bildungskraft sich eben sowohl ihre Götter nach dem Bilde der Menschen, als ihre Menschen nach dem Bilde der Götter schuf, leise ahndend, daß die Menschheit beides in sich vereinigt.
In diesem Sinne ist Juno auch die Göttin der Ehe, und gebahr dem Jupiter die Lucina oder Ilithya, welche den Schwangern bei ihrer Entbindung beisteht. Mit ihr erzeugte Jupiter auch die Hebe, oder die Göttin der Jugend, ein Sinnbild der Fortpflanzung, wodurch die Gat- tung immer neu gebohren, in ewiger Jugend sich erhält. Diese Göttin ist dereinst dem Herkules, wenn er durch große und schöne Thaten sich die Unsterblichkeit erworben, zum Lohn der Tugend und Tapferkeit bestimmt.
Juno gebahr aber auch dem Jupiter den un- versöhnlichen Mars, den schrecklichen Krieges- gott, auf welchen Jupiter oftmals zürnte, und
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Jupiter, nachdem er ſchon lange die Titanen be- ſiegt, und die Giganten uͤberwunden hat, noch oft den Glanz ſeiner Goͤttermacht verleidet.
In die Goͤtterehe des Jupiter und der Juno trug die Dichtung auch die menſchlichen Verhaͤlt- niſſe hinuͤber, welche nach den Begriffen einer Gottheit des Verſtandes freilich thoͤricht und laͤcherlich waren, aber nicht nach dem Begriff einer Gottheit der Phantaſie, deren nachahmende Bildungskraft ſich eben ſowohl ihre Goͤtter nach dem Bilde der Menſchen, als ihre Menſchen nach dem Bilde der Goͤtter ſchuf, leiſe ahndend, daß die Menſchheit beides in ſich vereinigt.
In dieſem Sinne iſt Juno auch die Goͤttin der Ehe, und gebahr dem Jupiter die Lucina oder Ilithya, welche den Schwangern bei ihrer Entbindung beiſteht. Mit ihr erzeugte Jupiter auch die Hebe, oder die Goͤttin der Jugend, ein Sinnbild der Fortpflanzung, wodurch die Gat- tung immer neu gebohren, in ewiger Jugend ſich erhaͤlt. Dieſe Goͤttin iſt dereinſt dem Herkules, wenn er durch große und ſchoͤne Thaten ſich die Unſterblichkeit erworben, zum Lohn der Tugend und Tapferkeit beſtimmt.
Juno gebahr aber auch dem Jupiter den un- verſoͤhnlichen Mars, den ſchrecklichen Krieges- gott, auf welchen Jupiter oftmals zuͤrnte, und
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Jupiter, nachdem er ſchon lange die Titanen be-
ſiegt, und die Giganten uͤberwunden hat, noch
oft den Glanz ſeiner Goͤttermacht verleidet.
In die Goͤtterehe des Jupiter und der Juno
trug die Dichtung auch die menſchlichen Verhaͤlt-
niſſe hinuͤber, welche nach den Begriffen einer
Gottheit des Verſtandes freilich thoͤricht und
laͤcherlich waren, aber nicht nach dem Begriff einer
Gottheit der Phantaſie, deren nachahmende
Bildungskraft ſich eben ſowohl ihre Goͤtter nach
dem Bilde der Menſchen, als ihre Menſchen nach
dem Bilde der Goͤtter ſchuf, leiſe ahndend, daß
die Menſchheit beides in ſich vereinigt.
In dieſem Sinne iſt Juno auch die Goͤttin
der Ehe, und gebahr dem Jupiter die Lucina
oder Ilithya, welche den Schwangern bei ihrer
Entbindung beiſteht. Mit ihr erzeugte Jupiter
auch die Hebe, oder die Goͤttin der Jugend, ein
Sinnbild der Fortpflanzung, wodurch die Gat-
tung immer neu gebohren, in ewiger Jugend ſich
erhaͤlt. Dieſe Goͤttin iſt dereinſt dem Herkules,
wenn er durch große und ſchoͤne Thaten ſich die
Unſterblichkeit erworben, zum Lohn der Tugend
und Tapferkeit beſtimmt.
Juno gebahr aber auch dem Jupiter den un-
verſoͤhnlichen Mars, den ſchrecklichen Krieges-
gott, auf welchen Jupiter oftmals zuͤrnte, und
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/107>, abgerufen am 23.11.2024.
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